SWR2 Wort zum Tag

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Nackt - und Spaß dabei - das ist ein Aspekt am Menschenbild der Pop-Art.

Wie finden Sie das? Ich weiß von mir, wie Bilder vom menschlichen Körper mein Menschenbild prägen. Einen starken Einfluss hat die Malerei. Mich beeinflusst ihre Sicht vom Menschen.
Denn - und das ist meine Erfahrung - Künstlerinnen und Künstler sehen genau hin - sie entdecken und teilen mit, was ihnen am Menschen - an seinem Körper aufgeht. In der Aktmalerei am nackten Körper. Auch in der Pop-Art auf ihre Weise. Seit nunmehr ungefähr fünfzig Jahren.

Die Tübinger Kunsthalle widmet derzeit eine Ausstellung den Figuren und Gemälden von Mel Ramos. Ramos - ein kalifornischer Künstler - begann vor 50 Jahren Frauenkörper in Werbepose zu malen. Zunächst noch im Badeanzug fielen bald alle textilen Hüllen. Zu sehen sind also nackte Frauen, vollbusig, blond, die Gelenke abspreizend, so viele wie möglich. Frauenkörper als hoch polierte Beilage zu pikanten Happen oder im Cocktail-Glas, glasklar entblößt. Mit den Logos von Cola und Lucky Strike verziert. Oder auch als Kunststoffplastik: wie eine aus der Banane geborene Aphrodite. Makellose, unbefleckte Hochglanzkörper.
Einen „ironisch heiteren Tagtraum" verspricht der Ausstellungsprospekt. Aber wo ist die Ironie? Mir blieb als Betrachter der Ausstellung die Ironie verschlossen. Der Künstler bekundet - er habe einfach Spaß an seinen Pin-up Gemälden. Wer wollte sie ihm nehmen? Nur in mir haben seine Bilder sehr andere Empfindungen ausgelöst - nämlich Mitleid und Bedauern. Vielleicht auch, weil ich an Karfreitag die Ausstellung besucht habe. Mir taten die nackten Frauen Leid, wie sie sich mit gezwungenem Lächeln um körpergroße Zigarren winden.

Der nackte Frauenkörper als Werbeträger? Aktmalerei für Getränke- und Tabakindustrie? Verweisen diese Pin-ups der Pop-Art womöglich auf eine andere Nacktheit? Auf ein Gegenbild? Mir kam der entblößte Nackte am Kreuz in den Sinn. Zur Schau gestellt - verdammt und verachtet. Nur: Der weint, der schreit, der leidet und seine Wunden sind sichtbar. Ein Trostbild und ein Trostmensch für Verletzte - für Leidende - für Entblößte.
Könnte es sein, dass die Pin-ups unserer Zeit - und ihre Darstellung in der Pop-Art - später einmal als Darstellung gesteigerten Leidens wahr genommen werden? Entblößt - zur Schau gestellt - aber immer zwanghaft bei guter Laune, denn „Spaß muss sein!" Ich will das nicht ausschließen. Neben dem Bild eines Gekreuzigten kämen sie übrigens in eine solidarische Umgebung .

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8099
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