Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Da lacht er wieder: mein innerer Schweinehund. Der Wecker hat schon zweimal geschellt, aber ich dreh mich auf die andere Seite und lausche noch den Vögelnund zögere den Moment heraus, wo ich mich wirklich aus dem warmen Bett lösen muss. Der Schweinehund lacht auch, wenn ich mir vorgenommen hatte, nach der Arbeit schwimmen zu gehen und dann doch eine Ausrede finde, mich auf die Couch zu legen und ein Stündchen zu telefonieren. Soziale Kontakte sind auch wichtig, sage ich. Der Schweinehund grinst. Und wenn im Stadtverkehr mal wieder ein junger, sportlicher Mensch auf einen Rollstuhlfahrerparkplatz fährt und ich wieder mal den Mund nicht aufmache, dann denkt sich der Schweinehund sein Teil. Und ich schäme mich. Wollte etwas mehr Zivilcourage zeigen und hab doch wieder geschwiegen. Der Schweinehund ist stark. Er besiegt mich öfters. Es gibt aber ein Gegenmittel, das hab ich erstaunlicherweise aus der Bibel. Dort steht über Jesus geschrieben: Er ging nach seiner Gewohnheit in die Synagoge. Nach seiner Gewohnheit. Nicht, weil es ihn da besonders hingezogen hätte. Nicht, weil er riesige Lust dazu hatte. Nicht, weil ein toller Gottesdienst angekündigt war. Nein: er ging nach seiner Gewohnheit. Die Gewohnheit ist stärker als der Schweinehund. Wenn der Schweinehund sagt: bleib doch liegen - dann kann ich trotzdem aus Gewohnheit aufstehen und zur Arbeit gehen. Oder zum Sport. Oder zum Blut spenden. Oder auch zum Gottesdienst. Wenn der Schweinehund sagt: Setz dich nicht in die Nesseln, halt dich da raus, das geht dich nichts an, dann kann ich mir angewöhnen, immer etwas zu sagen, wenn jemand den Rollifahrern den Parkplatz wegnimmt. Eine kleine Mutprobe, immer, wenn sich die Gelegenheit ergibt - was kann mir schon passieren ?Aus Gewohnheit mach ich den Mund auf, weil ich es immer so mache. Anfangs erscheint der Schweinehundwie eine riesige, unbezwingliche Bestie. Mit jedem gewohnheitsmäßigen Handeln meinerseits wird er kleiner. Wenn er dann so klein ist wie ein Schoßhündchen,dann gebe ich ihm auch mal nach und bleib liegen. Aber nur einmal, damit das nicht zur Gewohnheit wird. Nur, um dem Schweinehund eine Freude zu machen.

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