SWR2 Wort zum Tag

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Maria Magdalena gehört zu den Frauen der Bibel, die mir wichtig geworden sind. Ihre Geschichte ist fast wie eine Kriminalgeschichte in ihrer Überlieferung und in ihrer Wirkungsgeschichte bis heute. Für viele ist sie die große Sünderin,
die Reue zeigte, bekehrt wurde und Jesus die Füße salbte. In der Malerei dominiert ihre erotische Gestalt und für viele Schriftsteller und Filmemacher ist sie die Geliebte Jesu. Alle diese Vorstellungen sind dadurch entstanden, dass mehrere Geschichten der Evangelien auf eine Gestalt bezogen wurden. Sie haben das Bild Maria Magdalenas bis heute verzeichnet
und beschädigt.
Wer war Maria Magdalena? Warum ist sie mir wichtig?
Es ist ihre Begegnungsgeschichte mit Jesus und ihre Erfahrung von Auferstehung.
Maria Magdalena war die Frau, die von Jesus geheilt wurde und seinen Weg geteilt hat. Johannes erzählt von ihrer Trauer nach Jesu gewaltsamem Tod, von ihrer Verzweiflung, ihrem Verlassensein. Sie kommt am Ostermorgen zum Grab, sucht nach dem, was ihr Halt und Kraft zum Leben gegeben hat und findet das Grab leer. Ihr erscheint der Auferstandene. Sie hat den Wunsch nach Nähe, will Jesus berühren. Und Jesus? Er sagt: Noli me tangere. Halte mich nicht fest. Es heißt: Der Auferstandene ist nicht zu berühren, ist nicht festzuhalten. Er bleibt - wie der Philosoph Jean-Luc Nancy sagt - in der Distanz der Nahe, der Zugewandte.
Jesus gibt Maria den Auftrag, Auferstehung weiterzusagen, schickt sie auf den Weg des Lebens. Dieser Weg Marias zum Osterglauben ist bei Johannes als ein Weg von der Blindheit zum Sehen ausgedrückt. Zu Beginn sieht Maria Jesus, erkennt ihn aber nicht. Erst als er sie mit ihrem Namen anspricht, wird sie sehend. Sie begreift: Das ist nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang. Aus der Dunkelheit des Todes, des Verlustes wird etwas licht, das den Schmerz über den Verlust nicht kleiner macht, aber Kraft und Hoffnung zum Leben gibt. Maria Magdalena sagt Auferstehung weiter. Sie gibt Zeugnis von der Auferstehung. Augustinus nennt sie deshalb die erste Apostelin.
Diese Erfahrung Maria Magdalenas hat für mich etwas Ermutigendes.
Wie sie kann auch ich erkennen: Jesus lebt da, wo und wie ich lebe. Er ist auferstanden heißt: Er lebt nach seinem Tod in unserem Leben weiter, wo und wie wir in seinem Namen leben und handeln. Tot bleibt der, von dem ich nichts lerne und der mich nicht verändert. Jesu Auferstehung ist das umfassendste Symbol des Lebens gegen den Tod. Es begründet Hoffnung, aus der und von der ich leben kann.

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Jean-Luc Nancy, Noli me tangere, Zürich/Bern 2008

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