SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Hinab gestiegen in das Reich des Todes", so beten die Christen aller Konfessionen in ihrem Glaubensbekenntnis. Eine merkwürdige Vorstellung aus alten Zeiten, aber eine höchst aktuelle Perspektive. So wie man eine Landschaft neu entdeckt, so wie man in Kellerräume hinuntersteigt, so wird hier der Raum des Todes vorgestellt - unendlich weit, mit all den abgesunkenen Lebensgeschichten, mit Glück und Leid, ein unendlicher Friedhof voller Tiefen und Untiefen.
„Bis in den letzten Dreck sei er hinab gestiegen", sagte Hildegard von Bingen. „Bis unter Luzifers Schwanz", Mechthild von Magdeburg. Drastische Bilder sind das für diese unglaubliche Wahrheit: Im Tod Christi ist alles Tote und Todbringende prinzipiell schon überwunden. Bis in den letzten Winkel des Todesreiches hat er aufgeräumt, bis in die letzten Untiefen des Daseins. Nie und nirgends mehr, so lautet die österliche Botschaft, hat der Tod noch das letzte Wort. Noch in den bittersten Stunden bleibt Grund zur Hoffnung, noch im größten Elend ist Hilfe möglich und Heilung. „Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist dein Sieg?" fragt triumphierend der Apostel Paulus. Das freilich sind kühne Sätze. Denn gelitten wird noch viel, die Welt ist voll noch von Elend, von hausgemachtem und schicksalhaftem, und wie viele Menschen haben schwer zu tragen. Ja leider! Umso mehr wissen sich Christen herausgefordert, dem Vorläufer ihres Glaubens nachzugehen bis in den letzten Dreck, bis in die Slums und Elendszonen, bis in die Leidensgeschichten und Krisengebiete. Mit dem Abstieg Jesu ist der Bann gebrochen, die Aufräumarbeit hat begonnen, eine neue Art zu leben ist ermöglicht. Österlich gibt es viel zu tun. Was gestern, am Karfreitag, erinnert und gefeiert wurde, ist heute unterirdisch weiter im Gang.
Ein Osterbild der Ostkirche macht diese Hoffnung sichtbar. Da ist der Auferstandene mitten im Todesreich unterwegs, er reißt Adam und Eva aus ihren Gräbern. Man sieht förmlich die Anstrengung, aber auch die Lust und den Überschwang. Er hat es geschafft, er ist unwiderstehlich, die Kraft seiner Auferweckung verändert alles. Adam und Eva, die Stammeltern, stehen für die ganze Menschheit. Heraus aus den Gräbern der Resignation und Verzweiflung, weg mit der unseligen Halbierung des Daseins: die einen am Leben, die andern im Tod. O nein, das Leben, um das es Ostern geht, hat den Tod überwunden. Keiner der Toten ist vergessen. Unbändig scheint hier die Hoffnung schon vor, dass es ein Leben geben wird ohne Tod, ohne Klage, ohne Tränen und Gewalt. Dann wird alles endlich wieder sehr gut sein, sehr schön, wie am Schöpfungsmorgen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8001
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