SWR2 Wort zum Tag

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Vier Himmelsrichtungen, vier Temperamente, .... Die Vier ist eine Zahl der Vollkommenheit. Es ist also kein Zufall, dass es gerade vier Evangelien gibt. Eine Passionsgeschichte hätte wohl nicht genügt, die Wucht des Geschehens erzählend zu erfassen. In dieser Kar- und Osterwoche werden alle vier Passionsgeschichten Jesu gelesen - so wichtig sind sie den Glaubenden. Jedes Jahr wieder diese österliche Trauerarbeit, diese Anteilnahme an seiner Passion: Jesus hat sich eben nicht vorbeigedrückt an den Untiefen und Schmerzpunkten des Lebens. Konsequent ist er seinen Weg gegangen, um Gottes und der Menschen willen. Mutig hat er sich eingemischt, er hat Unrecht beim Namen genannt, von der Not und dem Leid der Mitmenschen ließ er sich innerlichst berühren. Und er machte sich berührbar. Er nahm das Leiden in Kauf, das aus seinem Kampf gegen das Leiden erwuchs.
Das Wort „Passion" ist doppelsinnig: Es heißt Leiden und Leidenschaft. Jesus war ja nicht ins Leiden verliebt. Das wäre nur krank und ist zu vermeiden. Nein: Es war seine Gottesleidenschaft, die ihn umtrieb bis zuletzt. Er nannte es in Bildern seiner Zeit »Gottes Reich«, »Gottes Weltherrschaft«. Mit den bestehenden Verhältnissen wollte er sich nicht abfinden. Seine Hoffnung auf Gerechtigkeit für alle, auf befriedete und mitmenschliche Verhältnisse war zu groß. Gewiss; dass Gottes Liebe hier und jetzt überall schon da ist, machte er großzügig Gebrauch davon: Er heilte, wo er konnte; überall sollte Gottes Wohlwollen spürbar werden, im Himmel und auf Erden. Diese Leidenschaft für Gott und die Menschen war es, die ihn in den schließlich tödlichen Konflikt führte. Und dieses Leiden nahm er in Kauf, denn seine Leidenschaft war noch größer.
Deshalb werden in diesen Kartagen die Passionsgeschichten Jesu gelesen. Wir Christen sind nicht ins Leiden verliebt, ganz im Gegenteil. Aber wir lassen uns auch nicht abspeisen mit den Verhältnissen, wie sie sind. Wir finden uns mit uns selbst nicht ab. Sehr viel Gutes gibt es, Gott sei Dank. Aber wie viel Leiden, wie viel Unrecht, wie viel Not ist noch in der Welt! Welch ein Glück, dass da einer voller Gottesleidenschaft vorangegangen ist und den Weg gebahnt hat, mitten hindurch, mitleidend und vorangehend, bahnbrechend. In der Passionsgeschichte Jesu ist allen ein Weg gewiesen, der zum österlichen Frieden führt. Vierfach die Leidensgeschichten, vierfach die Ostergeschichten. So groß ist die Hoffnung schon mitten auf dem Weg.

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