SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Dieser Montag ist nicht wie die anderen im Jahr. Die Karwoche hat begonnen. Da gehen die Christen den letzten Weg Jesu mit. Schon in den ersten Jahrhunderten machten sich die Leute in Jerusalem auf. Voller Anteilnahme gingen sie Spur für Spur dem geliebten Vermissten nach. Sie dachten daran, was Jesus durchzumachen hatte und wie er das geschafft hat. Das Drama seines letzten Lebensabschnittes wurde ganz konkret nachempfunden und förmlich inszeniert. In aller Trauer war aber doch schon die Osterfreude: Christsein heißt ja, an die Treue Gottes glauben, im Leben wie im Tod. Und genau deswegen sind diese Kar- und Ostertage so wichtig. Karwoche heißt wörtlich: Woche der Tränen. Es ist ja auch zum Heulen, dass Menschen wie Jesus so leiden und so sterben müssen. Besonders diese Woche steht die Frage aller Fragen im Raum: Warum überhaupt Leiden? Warum diese Passionsgeschichten? Warum das Drama der Gewalt? Warum? Warum? Im christlichen Osterglauben wird diese Frage gerade nicht unterdrückt oder frömmelnd schöngeredet. Ganz im Gegenteil: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Noch im letzten Schrei Jesu haben diese Fragen einen Adressaten gefunden. Sie werden nicht erklärend ruhig gestellt, aber sie werden zum Gebet, zum Schrei, zum Streit mit Gott: Klagend, anklagend, einklagend. Und darin doch voller Vertrauen auf ihn, den treuen Gott Israels: Widerstand und Ergebung. „Alles mit Gott, alles gegen Gott, nichts ohne Gott" - das ist die Botschaft Jesu, das ist sein Lebenszeugnis, deshalb der Beginn dieser Gedenkwoche mit dem einzigen Sinn und Ziel: Auferstehung. Wozu das Leiden? Welchen Sinn und Zweck soll das haben? Mit Recht notiert die Philosophin Simone Weil: „Jedes Mal, wenn wir die Welt nach ihrem Zweck (besser :Sinn) fragen, verweigert sie die Antwort. Aber um zu wissen, dass sie die Antwort verweigert, muss man die Frage stellen." Das tat auch Jesus. In ihm findet die Frage nicht nur eine Adresse. In seinem österlichen Leidensweg wird deutlich: Auf Gott ist Verlass, im Leben und im Sterben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7997
weiterlesen...