SWR3 Gedanken

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In seinen Tagebüchern stellt der Schweizer Schriftsteller Max Frisch eine Menge kluger Fragen. Wie zum Beispiel diese: „Welche Hoffnung haben sie aufgegeben?“
Marco ist ein lieber Junge. Aber ein fauler Sack. Macht nie mehr, als er muss. Deswegen ist auch sein Hauptschulabschluß unter aller Kanone. Seine Eltern sind ratlos. Wie soll es nur weitergehen mit dem Jungen? So findet er nie eine Lehrstelle. So wird nie etwas aus ihm. Er tut einfach nichts, er hat einfach an nichts Interesse. Du bist ein hoffnungsloser Fall, sagen Marcos Eltern. Dann ist das eben so, sagt Marco.
Eines Tages bietet ihm sein Onkel an, bei ihm in der Werkstatt zu arbeiten. Das hält der nicht lange durch, sagen seine Eltern. Der hält nie etwas lange durch. Aber siehe da, wenigstens geht Marco regelmäßig aus dem Haus. Und nach einiger Zeit wird der Onkel befragt. Wie Marco sich so macht. Ein guter Junge, sagt der Onkel. Sieht, wo es fehlt. Kann zupacken. Hat geschickte Hände. So einen kann man brauchen.
Marco steht daneben. Das habt ihr mir nicht zugetraut, was? Nein, das haben seine Eltern in der Tat nicht. So was, sagen sie, dabei hatten wir die Hoffnung längst aufgegeben, dass aus dir noch etwas wird. Seht ihr, sagt Marco, man soll die Hoffnung eben nie aufgeben.
Max Frisch fragt: „Welche Hoffnung haben Sie aufgegeben?“ Meine Antwort: Im Leben habe ich schon so viele Hoffnungen aufgegeben, dass ich sie gar nicht zählen kann. Aber diese Hoffnung will ich nicht verlieren: dass Menschen sich ändern können. Dass ich mich ändern kann. Aber dazu braucht es jemand, der mir das zutraut. In der Bibel heißt es: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“ Siehe da: Da ist zumindest einer, der mir mehr zutraut, als man auf den ersten Blick sehen kann. Und das läßt doch von ganzem Herzen hoffen.
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