SWR2 Wort zum Tag

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Seine Geschichten sind oft schräg und skurril. Am Ende vermitteln sie zwar klare moralische und praktische Lebensweisheit. Aber nicht auf geradem Weg. Johann Peter Hebels Figuren nehmen oft komische Umwege, bevor sie klüger werden. Aber vielleicht macht das die Geschichten lebenstauglich. Wissen kann man auf geradem Weg erwerben, aber Weisheit und Lebensklugheit?

Viele von Hebels Figuren sind einfache Menschen, man könnte sie auch „naiv" nennen. Man könnte sogar „dumm" sagen. Aber so ein Urteil würde am Ende auf den Urteilenden zurückfallen.

Der vielleicht bekannteste „Naive" bei Hebel ist ein Handwerksbursche, der trotz Unwissens lebensklug wird, ja sogar ‚durch' sein Unwissen. Er kommt nach Amsterdam. Beim Anblick eines prächtigen Hauses fragt er auf Deutsch einen Einheimischen, wem dieses gehöre. „Kannitverstan" bekommt er zur Antwort. Bewunderung. Als er sich am Hafen nach dem Eigner des prächtigsten Schiffes erkundigt, heißt die Antwort wieder „Kannitverstan". Da beschleicht den Handwerksburschen Unzufriedenheit mit seinem Leben und Neid auf den reichen Herrn Kannitverstan. Doch dann gerät er in einen großen Leichenzug. Wer der Verstorbene sei? „Kannitverstan." Und Hebels Weisheit: „Wenn es dem Handwerksburschen wieder einmal schwer fallen wollte, dass so viele so reich waren und er so arm, dachte er nur an den Herrn Kannitverstan, sein Haus, sein Schiff und sein enges Grab."

Merkwürdig: Der Naive wird lebensklug, indem er falsch versteht. Und wenn man versteht, wenn man Wissen hat und gebildet ist? Kann einem das die Lebensklugheit verstellen? Vielleicht ja, wenn man nicht bedenkt, woran Paulus in der Bibel erinnert: „All unser Wissen ist Stückwerk und die Erkenntnis wird aufhören, nur die Liebe bleibt."

Hebel stammte selbst aus einfachen Verhältnissen. Hat eine klassische Bildungskarriere gemacht, die ihn trotzdem nicht von seinen einfachen Wurzeln entfremdet hat.

1760, vor 250 Jahren, ist Johann Peter Hebel in Basel geboren. Er hat früh seine Eltern verloren. Gönner haben ihm Schule und Studium ermöglicht. Er wurde Pädagoge und Theologe. Als Theologe hat Hebel es -beruflich - am weitesten gebracht. Er wurde der erste Prälat der Badischen Landeskirche, heute würde man sagen „Landesbischof." Es hat diesen Karriereschritt sicherlich befördert, dass Hebel durch seine Kalendergeschichten -wie Kannitverstan- so bekannt war.

Sie unterhalten und bilden fürs Leben. Den Einfachen und den Gebildeten, sofern man bereit ist, sich in den naiven Helden selbst zu erkennen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7948
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