SWR2 Wort zum Tag

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Warum lügt ein Mensch einen anderen an? Selbst wenn zwei einander sehr nahe stehen, bringen Menschen es fertig, zu lügen. Wer lügt, weiß, dass er den anderen potentiell verletzt und die Beziehung beschädigt. Trotzdem tut er es.
Ein Wissenschaftler, der das Lügen untersucht hat, meint: Wer lügt, wendet sich bewusst von der Wirklichkeit ab. Darum schönt er, vertuscht oder versteckt sie. Lügen ist eine Art und Weise, mit der Wirklichkeit umzugehen. Sie zu umgehen. Ich kaschiere, was ich vorhabe. Weil ich mich vor einer Auseinandersetzung bewahren will. Oder den anderen angeblich schonen. Und so behauptet einer: ‚Ich muss noch arbeiten'. Oder ‚Die Untersuchung hat nichts Schlimmes ergeben, mach Dir keine Sorgen.' Wer lügt, will die Wirklichkeit glätten, auch wenn sie rau scheint oder unschön.
Es ist wichtig, dass man das begreift, wenn man lügt: Ich will  zuerst etwas für mich. Will ein angenehmeres Bild der Wirklichkeit bewahren und präsentieren. -
Die Bibel meint, lügen hilft nicht, auf Dauer in der Realität zu leben wie sie wirklich ist. Und sie beschädigt Beziehungen.
Und wenn es doch passiert? Was kann man dann tun? Wie kann man wieder in Ordnung bringen, was durcheinander geraten ist?
Der erste Schritt aus der Lüge ist, sie zuzugeben und zu offenbaren, was wirklich Sache ist. Der erste.

Befreit es sofort, wenn eine Lüge offenbart worden ist? Erleichtert es und macht wieder gut? Vielleicht, aber ich glaube, meistens geht es nicht ganz so schnell. Auch die offenbarte Lüge hinterlässt Spuren, gemäß dem alten Wort: Wer einmal lügt....Die offenbarte Lüge beschwert und macht beklommen. Den der gelogen hat und den Belogenen. Neues Vertrauen und Leichtigkeit muss erst entstehen.

Wie erzählt eine Geschichte in der Bibel: Da hat der eine dem andern nicht ins Gesicht gelogen, sondern gegenüber dritten, aber der Belogene hat es erfahren. Dreimal hatte Petrus behauptet, ‚ich kenne diesen Jesus nicht.' Als Jesus Petrus wieder begegnet nach der Auferstehung, fragt Jesus ihn. ‚Liebst Du mich?' Petrus antwortet „ja". Aber einmal reicht nicht, um die raue Wirklichkeit der Lüge zu heilen. Jesus fragt noch einmal, Wieder antwortet Petrus „ja". Aber immer noch nicht ist Jesus zufrieden. Er fragt ein drittes Mal: Liebst Du mich? Und ein drittes Mal antwortet Petrus „Ja". Jetzt erst wird es wieder gut. Jetzt erst ist die dreimalige Verleugnung bei beiden aufgehoben. Vielleicht ist es mit den Folgen einer direkten Lüge ähnlich. Sie muss offenbart werden und danach braucht es gemeinsame Zeit, bis die rauen Spuren, die sie hinterlassen hat, wieder heilen können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7946
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