Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Wir brauchen mehr Gott, sonst triumphiert die Sünde“ so die Schlagzeile einer großen Wochenzeitschrift. Im Leitartikel beschreibt der Autor unsere Gesellschaft. Sie ist voll von dem, was die Bibel als Sünde bezeichnet: Eitelkeit, Habgier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Trägheit des Herzens. Die Kirche hat diese Dinge immer wieder aufgegriffen. Sie hält fest: Gott lehnt solch ein Verhalten ab. Doch das lässt viele Menschen mehr und mehr kalt. Gott ist weit weg und spielt im Alltag doch keine große Rolle mehr.
Deshalb erinnert der Autor wieder an diese Lehre von Sünde und Hölle. Er wünscht sich aber vor allem einen Gott, der als der Richter mit erhobenem Zeigefinger dem Menschen streng ins Gewissen redet.

Hier stocke ich – ich teile die Einschätzung vieler, dass das Gewissen in den letzten Jahren abgestumpft ist. Doch die Lösung liegt für mich nicht in der Forderung, nach einem göttlichen Richter, einem Gott, der den Menschen Angst einjagt. Wir brauchen keine Hölle, in der das Fegfeuer wieder kräftig angefacht wird.

Vielmehr frage ich mich, was steckt denn hinter all diesem Tun?
Und da begegnen mir eher Menschen, die unsicher sind, die mit ihrem Alltag am Kämpfen sind. Da ist ein Mann, der auch einmal das große Geld machen will, wie alle seine Freunde um ihn herum. Da ist die Frau, die sich einen perfekten Körper wünscht. Doch eigentlich sucht sie Nähe, Liebe und Anerkennung.

Hilft da ein Gott, der mit erhobenem Zeigefinger nur noch den Druck erhöht? Im Brief an die Hebräer beschreibt der Verfasser einen ganz anderen Gott. Für ihn bleibt Gott eine anerkannte Respektsperson. Doch er erinnert daran, dass Gott diese Versuchungen selbst erlebt hat. Jesus ist den Versuchungen nach Macht, Reichtum und Anerkennung nicht aus dem Weg gegangen. Er hat sie kennen gelernt, gegen sie angekämpft und schließlich überwunden. Doch gerade deswegen schwingt er sich nicht zum Richter über unser Leben auf, gerade deswegen will er uns in solchen Situationen begleiten.

„Wir brauchen mehr Gott“ – ja, das stimmt. Aber keinen neuen Richtergott, der mit erhobenem Zeigefinger herumfuchtelt. Wir brauchen einen Gott, der an unserer Seite ist, der uns Mut und Kraft gibt, all den Sünden zu widerstehen. Wir brauchen einen Gott, der uns wieder aufhilft, wenn wir hingefallen sind. Wir brauchen diesen Gott, der am Kreuz die Last der Sünde mit uns geteilt hat.

Und dann, dann wird die Sünde auch in unserer Gesellschaft letztlich nicht triumphieren.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7887
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