SWR2 Wort zum Tag

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Kinder einer Stuttgarter Grundschule haben Bilder gemalt, wie sie den Tod sehen. Man kann die Bilder zur Zeit in einem Kinderhospiz anschauen. Was sofort auffällt: Der Tod ist nicht grau und erst recht nicht schwarz. Er hat viele bunte Farben. Der zehnjährige Eric lässt auf einer riesigen blauen Leiter ein gelbes Wesen hinaufsteigen. Ein Mensch? Ein Tier? Ein Käferchen? Egal. Vier Freunde, die bei einem Autounfall ums Leben gekom-men sind, stehen Hand in Hand am Fuß der Leiter. Auch der Opa, an Krebs gestorben, gehört dazu. "Im Himmel geht es ihm wieder gut. Er ist bei Gott", weiß Eric.
Die neunjährige Chiara freut sich, einmal als Engel auf ihrer eigenen Wolke zu stehen. Matthias hat in die Mitte seines Bildes ein großes blaues Auge gemalt. Er ist überzeugt, vom Himmel aus alle seine Freunde sehen und bei ihnen sein zu können. Sarah sieht sich am Ende einer langen Treppe vor einem großen Tor stehen – dahinter Sterne, Engel, Blumen, Bäume, Menschen. Ein Paradies. Ob sie dort auch ihre Oma aus Portugal trifft? Sie ist überzeugt, auch Gott ist dort. Wie er aussieht, weiß niemand. Aber sie ist sicher: "Gott fühlt sich gut an. Warm und geborgen."
Diese Bilder sind kindlich, aber nicht naiv. Alle diese Kinder haben selbst schon das Ster-ben von geliebten Menschen erlebt: Oma und Opa, gleichaltrige Freunde. Und sicher kennen sie auch die Bilder, mit denen Sterben und Tod tagtäglich per Fernsehen ins Wohnzimmer übertragen werden. Oder gar als Computerspiele ins Kinderzimmer. Die Kinder drücken mit ihren Bildern aus, dass der Tod zu ihrem Leben gehört und dass er etwas mit ihren Wünschen und Hoffnungen zu tun hat. Diese Bilder sind frei von Angst.
Warum sprechen mich diese Bilder so an? Kann ich mich auch so freimütig der Wahrheit stellen, dass der Tod etwas mit dem Leben zu tun hat? Nicht theoretisch, sondern als Grundton auch meines Lebens? Macht er mir Angst, heimlich oder offen, weil er bedeu-tet, Abschied zu nehmen? Weil er so viele Fragen offen lässt?
Die Kinder sehen den Tod - jedes auf seine persönliche Weise – und machen sich ihre eigenen Bilder davon. Auch ich kann ihn nur auf meine eigene, ganz persönliche Weise sehen und mir meine Bilder machen. Ich wünsche mir, dass in meinen Bildern nicht nur Dunkelheit, sondern auch Licht ist. Ich hoffe, dass mein bruchstückhaftes Leben vor Gott zu einem Ganzen wird. Was das bedeutet, weiß ich nicht. Aber ich wäre schon sehr froh, wenn ich am Ende einen Glauben hätte, wie ihn die kleine Sarah ausdrückt: "Gott fühlt sich gut an. Warm und geborgen."

Christine Keck/Heinz Heiss (Fotos): Mit dem Wolkenaufzug in den Himmel – wie Kinder den Tod sehen, in: Stuttgarter Zeitung, Nr. 32, 8. Februar 2007, S. 30.https://www.kirche-im-swr.de/?m=787
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