Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Wenn jemand kommt und will mir helfen, dann laufe ich so schnell und weit weg, wie ich nur kann.“ Dieses brüske Wort des amerikanischen Philosophen Henry Thoreau warnt vor gut gemeinter Hilfe, die mehr schadet als hilft und die wir uns deshalb besser vom Halse halten.
Nach einer schweren Flutkatastrophe in Asien war die Hilfsbereitschaft der internationa-len Organisationen so groß, dass genug Geld da war. An einem Küstenlandstrich tummel-ten sich gleich mehrere Hilfswerke, die alle den Fischern helfen wollten, deren Boote im Sturm verloren gegangen waren. Eine Organisation kaufte für jeden Fischer ein eigenes Boot. Dies schien ein enormer Fortschritt, waren die Fischer zuvor doch nur abhängige Arbeiter der Bootseigentümer gewesen. Nun war jeder selbst ein Kapitän!
Eine kirchliche Organisation ging anders vor. Sie sprach mit den Fischern und versuchte ihre Situation genau zu verstehen. Dann gab sie je vier Fischern gemeinsam ein eigenes Boot. Denn vier Männer in einem Boot bilden eine funktionsfähige Mannschaft, die auf Fischfang gehen kann. Die anderen Boote hatten zwar alle einen Kapitän, aber keine Mat-rosen. Doch ohne Mannschaft kann man keine Fische fangen.
Die Hilfe der kirchlichen Organisation beruht auf einer alten Tradition. Schon Jesus fragte die bedürftigen Menschen, welche Hilfe sie erwarten und brauchen. Immer wieder hilft er ihnen nicht auf naheliegende, sondern auf nachhaltige Weise – etwa wenn er einen Ge-lähmten zuerst aus Schuld und Verstrickung befreit, bevor er ihm die Beweglichkeit sei-ner Glieder für ein neues Leben zurückgibt.
Wer nur von außen als Helfer auftritt, überträgt leicht die eigenen Maßstäbe auf den an-deren und macht ihn zum Objekt seiner Hilfe. Wer wirklich helfen will, muss sich auf die Situation der Betroffenen einlassen, sie fragen und die Hilfe mit ihnen gemeinsam gestal-ten. Das gilt nicht nur für die Katastrophenhilfe, sondern auch für jede alltägliche Hilfe. Wenn gut gemeinte Hilfe auch gut gemachte Hilfe sein soll, muss sie das gemeinsame Werk von Helfern und Betroffenen sein. Anderenfalls kann sie mehr schaden als Gutes anrichten.


https://www.kirche-im-swr.de/?m=7866
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