Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Auf dem Brüsseler Flughafen hatte ich noch Zeit bis zum Abflug meiner Maschine und folgte aus Neugier den Wegweisern zu den „Stätten der Verehrung“. Nach vielen Treppen fand ich im obersten Stockwerk des Flughafengebäudes diese „Stätten der Verehrung“: Sechs mittelgroße Räume, die alle als Andachtsräume gestaltet waren: Eine katholische, evangelische und ortho-doxe Kapelle, eine jüdische Synagoge und eine muslimischer Moschee. Alle Räume waren in der Tradition ihrer Weltreligion vollständig für den Gottesdienst ausgestattet und ansprechend gestaltet. Nur der sechste Raum war sehr spartanisch eingerichtet: Ein Besprechungstisch, zwei Stühle und ein Telefon, mit dem man einen Gesprächpartner herbeirufen konnte. Der Raum trug den Titel: „Humanistische Meditationszone“. Auf den ersten Blick schien das das Auffangbecken für alle Reisenden zu sein, die sich keiner der vertretenen Religionen zuordnen konnten, denen die Flughafenverwaltung aber auch einen Platz der Besinnlichkeit anbot.
Erst auf den zweiten Blick entpuppte sich der Raum als mehr: Humanistische Meditation, also Nachdenken über die Menschlichkeit ist eigentlich das Programm, das die im Flughafen vertre-tenen Religionen über alle Unterschiede und Gegensätze hinweg verbindet. Jede Religion und Konfession nimmt für sich in Anspruch, in besonderer Weise den Menschen und der Mensch-lichkeit zu dienen. Und gerade überzeugte Anhänger der Religionen entdecken oft hier die Nä-he zueinander. Ob der sechste Raum vielleicht gar nicht nur der Sammelort für die religiös Heimatlosen sein soll, sondern zugleich auch der Treffpunkt für die unterschiedlichen Religi-onsvertreter sein kann?
Man stelle sich eine Gesellschaft vor, die nicht nur auf dem Flughafen, sondern mitten in den Städten und Siedlungen einen Raum schafft für das Nachdenken über die Menschlichkeit. Ein Ort, der für alle offen ist und an dem sich die verschiedenen religiösen Traditionen treffen kön-nen, aber auch die Suchenden, Zweifelnden und Ablehnenden. Dadurch verschwinden nicht die Gegensätze, und notwendige Auseinandersetzungen werden nicht überflüssig. Aber wenn un-terschiedliche Religionen gemeinsam über das Menschliche nachdenken, kann das der erste Schritt auch zu gemeinsamem Handeln sein.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=785
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