SWR2 Wort zum Tag

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Lesen, Schreiben, Rechnen, das alles müssen die Menschen erst einmal mühselig lernen. Aber eines konnten sie schon von Anfang an, das brauchte ihnen niemand beibringen: sich aus der Affäre ziehen, die eigene Schuld auf andere abwälzen. Wenn es eine Olympiade im Schuldabwälzen, in der Disziplin: Ich war`s nicht! gäbe: die Menschheit bliebe immer der Sieger.
Das fing im Paradies an. Als sich herausstellte, dass Adam und Eva gegen Gottes Gebot vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten, fragte Gott: Hast du das wirklich getan, Adam? Und Adam antwortete: Eva, das Weib das du mir gegeben hast, hat Schuld. Sie reichte mir den Apfel. Und als Gott sich dann zu Eva wandte und fragte: Warum hast du das getan? Da zeigte sie ganz schnell mit ihrem Finger auf die Schlange: Ich war`s nicht, die Schlange hat mich verführt. Und wer hat die wohl ins Paradies gesetzt?
Es ist bequem, ein Opfer zu sein. Ein Opfer der anderen, die uns verführt und verlassen haben. Ein Opfer der eigenen Gutmütigkeit und Unschuld. Ein Opfer der Zeit und der Verhältnisse, die nicht besser waren. Wer sich darauf herausredet, andere hätten ihm die Hände gebunden, glaubt eine gute Entschuldigung dafür zu haben, keinen Finger mehr rühren zu müssen.
Die Geschichte von Adam und Eva, die auf ihre Unschuld pochen und letzten Endes Gott als den Schöpfer ihrer Misere anklagen, zeigt: Selbst wer im Paradies lebt, findet immer noch jemanden, der ihn zum Opfer macht, um nicht eingestehen zu müssen, dass er auch Täter ist. Und selbst einen Anteil hat an dem, was ihn leiden macht.
Von Anfang an hat Gott darum klar gestellt, dass er sich auf dieses Spiel nicht einlässt. „Du hast es getan“, sagt er uns. Mensch sein vor Gott heißt: sich nicht länger herausreden können auf die anderen und auch für die Folgen aufzukommen von dem, was wir getan haben. Wir genießen vor Gott nicht das Recht auf lebenslängliche Nachsicht. Aber auf seine Gnade dürfen wir hoffen.
Ein Opfer schaut immer zurück auf das, was ihm angetan wurde und macht die untreue Frau, die lieblosen Eltern, die ungerechte Gesellschaft dafür verantwortlich. Gottes Gnade befreit von dem, was vergangen ist und sagt: Lass es hinter dir und sieh zu, was du besser machen kannst. Gottes Gnade sagt: Sieh deinen eigenen Anteil daran und sei versichert: Mit meiner Hilfe kommst du wieder auf die Beine. Denn Gottes Gnade, so heißt es in der Bibel, macht stark und deckt wie mit einem Schild. Der Glaube an Gottes Gnade macht stark. Auch darin zu sagen: Ich habe das getan. Ich will dafür geradestehen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7831
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