SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Fastenzeit. Woche drei. Und wie sieht’s mit den Vorsätzen aus? Nach Aschermittwoch war ich guter Dinge. Ich hatte in den letzten Monaten viel zu viele Süßigkeiten gegessen. Aus Stress, aus Appetit, um mich zu belohnen für dies und das. Schokolade, Lakritz, Plätzchen, ich mag alles, was süß ist. Oft genug war ich dann so voll, dass ich bei den normalen Mahlzeiten keinen richtigen Hunger mehr hatte. Das war einfach kein Zustand mehr. Also hab ich mir gedacht: ab Aschermittwoch soll es sieben Wochen ohne gehen. Und ich wollte in der Zeit rauskriegen, wie ich besser mit meiner Lust auf Süßes umgehen kann. Die ersten paar Tage waren kein Problem. Ich hab endlich mal wieder Äpfel zwischendurch gegessen. Mich besser gefühlt. Aber dann ging’s los. Beim Einkaufen. Mann, ist das schwer, an den Regalen vorbeizukommen, aus denen alles, was Zucker hat, herausquillt. Die Süßigkeiten betteln ja förmlich darum, gekauft zu werden. Flehen: Nimm mich mit.
Ich hab’s aber bis heute geschafft, nichts davon zu essen. Nach der Methode: Nur heute. Die Methode geht ganz einfach. Da geht es nicht darum, zehn Kilo abzunehmen oder sieben Wochen zu fasten. Es geht nur darum den Tag heute zu bestehen. Heute, an diesem Tag, keine Schokolade zu essen, keine Zigarette zu rauchen, kein Auto zu fahren. Nur heute. Was morgen ist, ist eben morgen. Es geht nur um Jetzt, diesen Augenblick, diesen Tag. Und den versuche ich, so gut es geht, zu bestehen.
Ich versuche zugleich, nicht nur auf mein Fasten acht zu geben. Ich versuche insgesamt aufmerksamer zu sein. Ich glaube, das ist der tiefe Grund für Fasten überhaupt. Und das ist auch der Grund, warum der christliche Glaube das Fasten kennt. Wer nämlich fastet, kann aufmerksamer werden. Aufmerksamer auch für den eigenen Appetit, für bisweilen übermäßigen Appetit. Denn vom Mehr-Essen-Wollen zum Mehr-Haben-Wollen ist es oft nur ein kleiner Schritt. Und im Fasten liegt die Chance, sich immer wieder vom Mehr-Haben-Wollen zu verabschieden. Fasten betrifft also nicht nur das Essen. Ich kann nämlich auch Appetit auf Macht haben, auf Ansehen und Geltung, auf Geld. Heute zu fasten, das heißt: Ich nehme Abstand von meinem Appetit. Und bekomme so vielleicht offene Augen für Menschen, denen der ungesunde Appetit schadet. Menschen, die ungerecht behandelt werden, weil jemand anderes Hunger auf Macht hat. Menschen, die ausgebeutet werden, weil jemand Hunger auf Geld hat. Mein Fasten wird das nicht ändern. Aber wenn ich mir heute darüber bewusst bin, kann ich selbst anders handeln.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7814
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