Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Für viele ist heute ein Gedenktag. Ein schmerzlicher. Man könnte ihn im übertragenen Sinne deshalb auch besser Einen Stichtag nennen, weil er sticht, weil er wehtut, weil er wie ein Stich ins Herz empfunden wird.
Wenn sich ein Tag, ein Datum wiederholt und uns erinnert, wie es war, vor einer Woche, einem Monat, einem halben Jahr als es passiert ist, die ganz persönliche Passion:
der Unfall, die Krankheit, die schlimme Nachricht, der Tod. Wer etwas ganz Schweres hat erleben müssen, für den rechnet sich die Zeit fortan von diesem Datum aus.
Und immer wenn es wiederkommt, schmerzt es bitter, sticht es zu.
Und dann verzweifeln und leiden viele auch an ihrem Glauben an Gott und fragen sich seelenwund nach dem Warum, und vor allem, wie es sein kann, dass der liebe Gott so etwas zulässt.
Und da kann ich nur sagen, das es an der Zeit ist, spätestens, wenn so ein Stichtag kommt, klar und deutlich zu sagen, dass der liebe Gott einfach nicht so lieb ist, schon gar nicht nur lieb, sondern immer schon und meistens sogar alles andere als das.
Die Bibel beschreibt ihn uns als allmächtigen, zornigen, eifersüchtigen, ja sehr strengen Gott, als einen der Angst und Schrecken verbreitet, in dessen Nähe es einem die Schuhe auszieht, dessen Erscheinen einfach nicht auszuhalten ist.
Nein. Der liebe Gott ist gar nicht so lieb, nicht so betörend harmlos, so ungefährlich, nicht so verfügbar und anschmiegsam.
Das hat sogar Jesus selbst zu spüren bekommen.
Obwohl sein lieber Sohn genannt, wird ihm der schwere Weg durch die Gethsemanenacht bis hinauf nach Golgatha ans Kreuz zugemutet, und dort am Kreuz schreit er sich vor lauter Gottverlassenheit die Seele aus dem Leib mit seinem
„Mein Gott, mein Gott
warum hast du mich verlassen?“
Spätestens da hat der liebe Gott aufgehört, nur lieb zu sein, spätestens da ist er anders, ganz anders, brutal anders.
Aber er ist und bleibt da, er bleibt dabei, geht mit, bewahrt die Seele seines Sohnes in seinen Händen und führt ihn durch das finstere Tal hindurch.
Der liebe Gott ist manchmal nicht mehr zu erkennen vor lauter Warum und Wozu, an Stichtagen schon gar nicht.
Aber auch der verborgene rätselhafte Gott ist da, bleibt nah, geht mit, hält mich und hält es mit mir aus.
Wenn auch nicht als der liebe Gott erlebbar, bleibt er doch der Gott der Liebe, mit dem ich meine liebe Not habe.
Darum wünsche ich allen, denen dieser Tag schwer fallen wird, viel Kraft und einen festem Blick auf DEN, der das Kreuz trägt, und sich auskennt mit Kreuzworträtseln.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7800
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