SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag


Eine holländische Gemeinde unterwirft sich den Geboten Gotten aufs Strengste. Auch die Heiligung des Sonntags gehört dazu. Und just an einem Sonntag wird der kleine Küstenort von Wind und Wellen derart bedroht, dass man den Deich verstärken muss, wenn man überleben will. Für den Ortspfarrer die Situation äußerst schwierig. Darf er die ihm anvertraute Gemeinde am Sonntag zur Arbeit rufen? Darf er die Gemeinde umgekehrt dem Untergang preisgeben, um den Sonntag zu ehren?
Der Last persönlicher Verantwortung nicht gewachsen, beruft er den Kirchenvorstand ein.
Die Debatte verläuft wie vorherzusehen, der Vorstand besteht auf die Erfüllung des göttlichen Gebotes, komme, was da wolle.Der Pfarrer versucht ein Letztes: "Hat nicht Jesus gelegentlich auch das Gebot des Sabbats durchbrochen? Hat er nicht selber gesagt, dass nicht der Mensch für den Sabbat da ist, sondern der Sabbat für den Menschen?"
Darauf erhebt sich ein ehrwürdiger Greis: Herr Pfarrer, es hat micht stets gedrängt, aber nun muss ich es Ihnen sagen. Ich habe schon immer das Gefühl gehabt, dass unser Herr Jesus ein bißchen zu liberal gewesen ist."

Diese Anekdote macht mich nachdenklich. War Jesus wirklich liberal? [In diesem Wort steckt das lateinische liber, was auf deutsch frei heißt, ungehindert, ungebunden, unbeschränkt. Aber auch Bedeutungen wie zügellos und ausschweifend sind belegt.] Tatsächlich hat man Jesus schon zu Lebzeiten vorgeworfen, ein Freigeist und ein Gesetzesübertreter zu sein. Er hat es immer abgelehnt, die Gebote um ihrer selbst willen zu erfüllen. Er sah in ihnen Freiräume, in denen das Leben sich entfalten kann. Nicht von ungefähr hat man die 10 Gebote auch die 10 großen Freiheiten genannt: Nur in diesen Räumen können Beziehungen gelingen, von Mensch zu Gott und Mensch zu Mensch.

Du sollst den Feiertag heiligen. Heute würde ich sagen: Ich kann und soll auch den Montag heiligen. Dankbar will ich sein, weil ich arbeiten und Geld verdienen kann. In der Pause, im Auto gönne ich mir einen Moment der Besinnung, vielleicht ein Bibelwort. Und wenn ich nach hause komme, brauche ich eine Auszeit, für mich selbst, für die Familie. Ich beende den Tag nicht so spät wie sonst, sondern lasse ihn ausklingen, vielleicht mit einem Gebet.

Du sollst nicht nur den Feiertag, sondern jeden Tag Deines Lebens heiligen.
Für mich bedeutet das: Meine ganze Zeit gehört Gott.
Und wo Gott diese Zeit prägt, da kann mein Leben sich entfalten, da bin ich frei, trotz mancher Zwänge.
Von Fall zu Fall darf ich dann auch ein bißchen liberal sein.
Denn Gottes Worte und Gebote sind für den Menschen da, nicht umgekehrt.

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