SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Der Dialog zwischen den Religionen und Kulturen ist für die einen mit Hoffnung verbunden, andere haben Angst davor und wehren sich. Mir ist deutlich geworden, dass dieser Dialog vor allem die Bereitschaft erfordert, demütig zu werden. Sehr eindrücklich ist mir ein Gespräch in Erinnerung, an dem ich kürzlich im indischen Poona teilgenommen habe – ein Gespräch mit Professor Francis D’Sa, einem Jesuitenpater und international renommierten Religionswissenschaftler. Der bescheidene Mann ist ein leidenschaftlicher Vorkämpfer des Dialogs zwischen dem Christentum und den nichtchristlichen Religionen, vor allem mit dem Hinduismus. Er lebt und arbeitet in der vielgestaltigen religiösen Welt Indiens, die stark durch den Hinduismus geprägt ist. Aber was er zu sagen hat, reicht weit über diese konkrete Situation hinaus.
Besonders eingeprägt hat sich mir der Leitgedanke, unter den er seine Arbeit stellt: Es geht darum, sagt er, den anderen so zu verstehen, wie er sich selbst versteht – damit er lernt, mich zu verstehen, wie ich mich selbst verstehe. Man dürfe nicht in erster Linie das Trennende, das Unterscheidende sehen, sondern die positive Herausforderung, die in jeder Religion enthalten sei. In allem Wahren, Schönen und Guten in der Religion und im Glauben anderer Kulturen könne Christus gegenwärtig sein, sagt Francis D’Sa. In allem könne das Wirken des Heiligen Geistes erfahren werden. Eine solche Haltung, davon ist er überzeugt, mache es auch für Angehörige anderer Religionen möglich, das Christentum anzuerkennen.
Der Weg dazu ist für Professor D’Sa allerdings nicht die theoretische Auseinandersetzung, sondern die religiöse Erfahrung und die praktizierte Liebe. Was können wir gemeinsam beitragen, damit mehr Friede, mehr Gerechtigkeit in der Welt lebendig wird? Das ist für ihn die Brücke, die ein Gespräch möglich macht. Nach den gemeinsamen Herausforderungen für eine bessere Welt müsse man suchen, dann finde man auch zu einem besseren religiösen Verständnis für einander.
Schlichte, einfache Sätze – in der Tat. Aber Francis D’Sa ist auch Realist. Der Dialog zwischen den Religionen und Kulturen habe noch gar nicht begonnen; allenfalls sei man bei der Vorbereitung, meint er.
Doch in seinem Grundsatz bleibt er unbeirrt: Den anderen so zu verstehen lernen, wie er sich selbst versteht – damit dieser mich so zu verstehen lernt, wie ich mich selbst verstehe. Das bedeutet für ihn heute das Wunder von Pfingsten – das Wunder, dass der Heilige Geist Menschen unterschiedlichster Sprachen lehrt, auf einander zu hören und einander zu verstehen. Aber, so sagt er, dafür müsse man sehr demütig werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7719
weiterlesen...