SWR3 Gedanken

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Lache, und die Welt lacht mit dir. Dieses Motto haben sich die Japaner sehr zu Herzen genommen und ein Gesichtserkennungssystem namens „Smile Scan“ entwickelt. Mit einer Kamera werden die Gesichtszüge einer Person analysiert und bewertet. Hundert Punkte gibt es für das ideale Lächeln.

Zum Einsatz kommt das System zur Zeit bei 530 japanischen Bahnangestellten. Die sollen ihre Kunden nicht mit hängenden Mundwinkeln bedienen, sondern stets und immer mit einem strahlenden Lächeln. Deshalb steht am Beginn eines jeden Arbeitstages der Lächeltest. Das beste Lächeln wird dann ausgedruckt und als Munterkeits-Motivationshilfe mit in den Tag genommen. Lache, und der Kunde lacht mit dir.

Zugegeben. Auch ich konsumiere lieber in freundlicher Atmosphäre als in Gesellschaft eines Muffelgesichtes. Aber die Menschen sind in der Regel nicht von Haus aus schlecht gelaunt. Und Menschen, die im Dienstleistungsgewerbe arbeiten, sind eben Menschen. Menschen mit Sorgen und Launen, mit Stimmungen und Gefühlen.

Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kaufhauses Karstadt in Kaiserslautern zum Beispiel sind im Moment aus gutem Grund durch die Bank schlecht drauf. Weil man das Haus einfach schließt. Die Mitarbeiterin an der Kasse eines Discounters wirkt vielleicht deshalb so bedrückt, weil man ihr noch nicht einmal einen Mindestlohn zahlt. Und der Kellner im Hotel hat Falten auf der Stirn, weil seine Tochter die Schule nicht schafft.

Sie alle würden den Lächeltest nicht bestehen. Weil ihnen eben nicht zum Lachen zumute ist. Aber auch mir bleibt das Lachen in der Kehle stecken, wenn mein Gegenüber nur lächelt, weil ein Arbeitgeber es ihm befiehlt.

Bevor die Arbeitswelt endgültig aus Menschen Maschinen macht, vergebe ich lieber hundert Punkte für Gesichter, die aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen.
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