SWR2 Wort zum Tag

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Im Streit der Meinungen und Überzeugungen gelingen manchmal Worte, die auf den Punkt bringen, was den Kern einer umstrittenen Wahrheit ausmacht - und was unter-schiedliche Auffassungen miteinander verbinden kann.

So ist es auch im Streit um die Wahrheit des Glaubens. Ihn gibt es seit der Urchristenheit. Er hat in der Geschichte der Kirche zu den unterschiedlichen Konfessionen oder Gruppenbildungen in derselben Kirche geführt. Philipp Melanchthon, der Freund Luthers und Mitreformator, dessen 450. Todestag wir in diesem Jahr begehen, hat so manchen Glaubensstreit bestehen müssen - und er hat darunter gelitten. Nach seinem Tod hat man einen Zettel gefunden, auf dem er vermerkt hat, was seine Hoffnung für das Leben nach dem Tod ist: Du wirst aufhören zu sündigen, du wirst befreit werden von allen Kümmernissen und von der Wut der Theologe. Du wirst jene wunderbaren Geheimnisse erfahren, die du in diesem Leben nicht hast begreifen können.

Befreit auch von der Wut der Theologen: die hat ihm Zeit seines Lebens zu schaffen ge-macht. Immer wieder musste er vermitteln, wurde dabei angegriffen und war überzeugt, dass es in den umstrittenen Glaubensfragen einen gemeinsamen Weg der Erkenntnis gibt, wenn man die Grenzen der Erkenntnis akzeptiert. Im Streit zwischen Lutheranern und Reformierten über das Verständnis des Abendmahls bestand für ihn zwar kein Zweifel an der Gegenwart Christi im Abendmahl. Aber er meinte: Da disputieren sie über das Abendmahl, gleich als ob sie in den Himmel gesehen und Jesum gefragt hätten, wie er die Worte „das ist mein Leib“ verstanden habe. Sie werden es hier auf Erden doch nicht ausmachen. Für ihn genügte die Erkenntnis, dass Christus im Abendmahl gegenwärtig ist.

Um das Verständnis des Glaubens, um die Fragen, wer Gott ist, wie man Jesus und seine Worte verstehen soll, was seine Geschichte für uns bedeutet, wird man immer wieder ringen müssen. Und es wird dabei immer unterschiedliche Überzeugungen geben. Melanchthon hat aber in einem kurzen Satz auf den Punkt gebracht, was Mitte des Glaubens und der Glaubenserkenntnis ist: Christus zu erkennen, bedeutet, seine Wohltaten zu erkennen. Was Christus für uns getan hat, die Erkenntnis, dass uns Gott durch ihn seine Liebe erweist, die Befreiung von Schuld, die Kraft zum Vertrauen und zu neuen Anfängen – darin wird erkannt, was den Glauben ausmacht und was auch alle, die glauben, über unterschiedliche Meinungen miteinander verbindet.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7659
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