SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wer Bäume pflanzt, tut dies in aller Regel auf Zukunft hin.
Wo Bäume bedroht sind, wo ganze Arten auszusterben drohen – da empfinden wir: unser eigener Lebensraum ist bedroht. Auch deshalb stellt schon die Bibel ein Tabu auf. Es heißt: Selbst im Krieg dürfen Bäume, die Früchte tragen, nicht zerstört werden (5. Mose 20.19f). Damit wird mit Nachdruck gesagt: „Schütze die Bäume. Schütze die Menschen.“ Bäume genießen eine ganz besondere Wertschätzung. Im Judentum gibt es dafür auch einen besonderen Feiertag – das so genante „Neujahr der Bäume“ - heute wird es feierlich begangen. Es ist kein biblisch bezeugtes Fest – aber biblisch begründet – vor rund 500 Jahren in Safed in Israel sei es entstanden.

Jetzt – am Ende der Regenzeit in Israel - wenn der Saft in die Bäume hochsteigt – wird das Neujahr der Bäume begangen - ein Festtag vor allem auch für tatkräftige, junge Menschen, Schüler und Jugendgruppen. Die pflanzen Stecklinge in den Boden.

Ich werde nie vergessen, wie ich von diesem Fest zum ersten Mal erfahren habe. Ich war mit einer Gruppe in Prag zu Besuch und ein Bekannter – Jiri Vrba – hatte sich für uns Zeit genommen, und fuhr mit uns ins ehemalige Konzentrationslager Theresienstadt. Hier war er selber einst als jüdischer Jugendlicher interniert. Er zeigte den Ort, wo er einquartiert war, den Ort, wo er Theater gespielt hat und schließlich führte er uns an eine Außenmauer des Ghettos. „Hierhin“, erzählte er uns „ ist die Lehrerin mit uns gegangen – am Neujahr der Bäume – und hat mit uns Kindern Bäume gepflanzt.“
Verschleppt, gedemütigt und bedroht – aber Bäume pflanzen – mit Kindern und Jugendlichen, deren Zukunft mehr als ungewiss gewesen ist. Einen Baum pflanzen – im Schatten der Verbrecher - auf Zukunft hin – was auch kommen mag.
Was für ein starkes Hoffnungszeichen hat diese Lehrerin gesetzt!

Bäume pflanzen bedeutet mir seither: Zukunft eröffnen für die nächste Generation – gegen alle, die Zukunft verbauen.
Ganz gleich, ob es um den Ertrag der Früchte oder um das Holz geht.
Ganz gleich, ob es um Schutz und Schatten – oder auch um Anmut und Schönheit geht.
Was immer der Ertrag und der Gewinn für Menschen einmal sein kann – gepflanzt wird ein Baum auf Zukunft hin – der nächsten Generation zugedacht. „Schütze die Bäume. Schütze die Menschen.“ Bäume pflanzen ist darin ein Sinnbild für ein Nicht-Abschreiben der nächsten Generation, ihr gutes Zudenken, ihr Frucht bringendes hinterlassen.

Die Tage werden länger. Auch bei uns ist noch Platz für Bäume.

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