SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

22. Januar bei einem Bäcker in der Nähe. Auf der Theke ein Korb mit bunt gefärbten Eiern. „Ja wie“, frage ich die Verkäuferin, Sie haben schon Ostereier?“ „Nein, das sind Faschingseier“, antwortet sie mir. „Aha, interessant,“ sag ich. „Hab ich noch nie gehört, aber warum nicht? Da werden die Narren so im Vorbeigehen satt und wenn sie auch noch Salz dazu bekommen ist es gut gegen den Kater.“
„Alles kommt früher und niemand kann mehr warten“ murmelt eine ältere Frau neben mir. Diesen Satz nehme ich mit aus der Bäckerei, denn die bunten Eier am 22. Januar haben mich irgendwie nicht mal mehr gewundert. Wo doch die Nikoläuse schon ab Oktober in den Regalen stehen. Da wäre es doch nur logisch die Ostereier schon im Januar auf die Theke zu stellen. Niemand kann mehr warten. Das stimmt und es stimmt nicht. Es stimmt für die Industrie, die kann nicht warten. Die Wirtschaft soll brummen, die Menschen sollen konsumieren und wer zuerst kommt, der verkauft zuerst. Diese Mentalität rutscht aber in zu viele Bereiche, in die sie nicht hingehört. Darum gibt es immer mehr Menschen, die sich gegen diese unnatürlichen Vorgaben der Industrie wehren. Menschen, die gezielt und bewusst warten. In einer Welt, in der immer mehr alles und sofort zu haben ist wird ihnen das Warten als Wert bewusst. Denn wenn man alles sofort bekommen kann, geht einem auch die Vorfreude flöten. Könnte man immer wenn man es gerade braucht Urlaub machen, würde einem die Planung und die Vorfreude fehlen. Und jeden Tag Fleisch macht den Sonntagsbraten fade. Es ist einfach wichtig und richtig auf manches warten zu können. Es gehört zum Menschsein. Denn vieles Gute braucht Zeit und ist nicht leicht und nicht dauernd zu haben. Und darum eß ich Schokoladenmänner an Nikolaus und gefärbte Eier erst an Ostern.
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