Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

30JAN2010
DruckenAutor*in
„Je älter ich werde, umso schneller vergeht die Zeit.“ Das bekomme ich oft zu hören, gerade von älteren Menschen. Und häufig ist damit eine gewisse Wehmut verbunden. Die Menschen sind unzufrieden damit, wie die Zeit vergeht bzw. darüber, was sie mit ihrer Zeit anfangen. Konkret kann das individuell ganz unterschiedlich aussehen.
Die einen sind unzufrieden, weil sie den Eindruck haben, dass ihnen das Leben durch die Finger rinnt. Sie haben den Eindruck, ihre Zeit zu vertrödeln. Nichts Richtiges auf die Reihe zu bekommen, zuwenig sinnvoll zu planen und auszuführen, zuviel sich um alles mögliche zu kümmern, nur nicht um das, was sie sich vorgenommen hatten.
Den andern geht’s gerade umgekehrt. Beständig sind sie was am machen, ein Termin jagt den nächsten. Nie kommen sie zur Ruhe und sie sehnen sich nach Auszeiten, Urlauben, Zeiten, in denen sie nichts tun, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
Ich mache die Erfahrung, dass die Zeit zu den Dingen gehört, die reicher machen, wenn man sie teilt. Und das kann wichtig sein, sowohl für die, die zuviel reinpacken in ihr Leben als auch für die, die den Eindruck haben, dass ihnen das Leben durch die Finger rinnt.
Für die Stressgeplagten ist es vielleicht gut, die Zeit mit andern zu teilen. Einfach so – ohne dass dabei etwas Produktives entstehen muss. Zeit teilen mit einem guten Freund einfach zum Quatschen, Zeit teilen mit dem Partner zum Spazierengehen einfach weil’s gut tut oder auch Zeit teilen mit den Kindern oder Enkelkindern zum Spielen einfach aus Spaß. Das macht das Leben reicher ohne Stress und Termine.
Und für die, denen das Leben durch die Finger rinnt, kann es gut sein, die Zeit für andere zu teilen. Sich engagieren als Helfer bei der Tafel, in der Hospizbewegung oder Kranke und Alte besuchen. Das macht das Leben reicher, schenkt Befriedigung und Erfüllung.
Geteilte Zeit ist gute Zeit. Und ob sie gefühlt schneller oder langsamer vergeht, je älter man wird, ist dann zweitrangig.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7572
weiterlesen...