Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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29JAN2010
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„Einen schönen guten Morgen!“
Ein schöner, sonniger Morgen, mitten in einer großen Stadt. Ich stehe auf dem Bürgersteig und warte auf einen Bekannten.Da grüßt mich ein mir Fremder und geht vorüber.
Was mich an mir überraschte, war, dass ich mich spontan fragte: „Hat der nen Hau, ist der noch ganz koscher, will der was von mir?“
Ich meine, ich kenne das Phänomen: Je weniger Leute unterwegs sind, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich grüßen. Aber in einer belebten Stadt? Der mich da grüßte, und ich bin heilfroh, dass ich zurückgrüßte, hat mich nicht nur erfreut, er hat mich auch nachdenklich gemacht.
Warum ist es so ungewöhnlich, ja außergewöhnlich, wenn sich auch wildfremde Leute begrüßen? Warum kommt man ins Grübeln, ja unterstellt dem anderen unredliche Absichten, wenn genau das passiert?
Sind wir so verklemmt, haben wir soviel Sehnsucht nach Anonymität, dass wir schon die einfachsten Höflichkeitsformen nicht mehr anwenden?
Um ehrlich zu sein: Ich weiß es auch nicht genau.
Ich weiß nur, dass es gar nicht soviel kostet. Aber viel bringt. Freude darüber, dass mich einer wahrnimmt und mir gut will. Aufmerksamkeit, Anerkennung, Wertschätzung: Das sind doch eigentlich Dinge, die jeder von uns haben möchte. Sie aber nur selten oder gar nicht bekommt, wenn er sie selbst nicht spendet. Das ist mir in der Begegnung mit dem fremden Mann einmal mehr deutlich geworden. Nicht darauf warten, dass es andere tun, sondern selbst damit anfangen!
Ich werde trotzdem nicht bei größeren Menschenmengen jeden grüßen.
Aber versuchen, nicht allzu kleinlich und verschlossen zu sein, wenn es um einfache Höflichkeitsformeln geht.
In dem Wissen, dass es dem Gegenüber und damit auch mir gut tut.
Deswegen wünsche ich Ihnen heute ausdrücklich eine schönen guten Morgen!

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