Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

In Berlin ist mir das besonders unangenehm aufgefallen: An jeder Ecke wird man angebettelt! Man kann dem gar nicht entgehen. Und richtig aggressiv geht das teilweise zu. Da steigt ein abgehalfterter Amerikaner mit seiner Gitarre in die U-Bahn, singt ungefragt ein paar Strophen runter und meint, jetzt habe er ein Anrecht auf Bezahlung. Diejenigen, die ihn leer ausgehen lassen, werden wüst von ihm beschimpft.
Nichts geben wird da fast schon zur Mutprobe.
Mir geht das auf die Nerven: Wenn ich was gebe, dann will ich das aus freien Stücken tun. Ich will nichts geben, nur um jemanden loszuwerden; ich will nicht genötigt werden.
„Bittet, so wir euch wird gegeben“, sagt Jesus.
Und das macht den Unterschied: Wenn jemand bittet, soll er vertrauen und dem Anderen die Freiheit lassen, auch „nein“ zu sagen. Und wenn ihm das gelingt, wenn er dem Anderen die Freiheit lässt, dann bekommt er auch, um was er bittet.
Und auch das habe ich in Berlin erlebt:
Wir laufen nachts durch irgendwelche U-Bahngänge, und dann durch so eine Unterführung, alles ziemlich einsam und düster. Da sitzen zwei Männer auf dem Boden, ein paar Flaschen Bier um sich rum. Der eine hält seinen Hut hoch, als er uns sieht. „Habt Ihr `n bisschen Geld übrig?“
Wir gehen eilig an ihnen vorbei, ohne sie weiter zu beachten.
Da höre ich ihn ganz freundlich hinter uns her sagen:
„Wünsche euch trotzdem einen schönen Abend!“
Einen Moment hat es gedauert, dann blieb ich stehen. Ich konnte gar nicht anders: ich musste umkehren und ihm was geben. Und ich habe es richtig gern getan. Denn dieser Mann hat mich überrascht. Er hat unsere Abweisung akzeptiert. Und er ist freundlich geblieben, obwohl wir seine Bitte nicht einmal beachtet haben.
„Bittet, so wir euch wird gegeben.“ https://www.kirche-im-swr.de/?m=7547
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