SWR2 Wort zum Tag

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Als Kind haben sie mich immer irritiert, merkwürdig berührt. Die Heiligendarstellungen in Kirchen und Kapellen. Denn häufig zeigen sie Gewalt. Da werden Männer und Frauen gevierteilt und erdolcht, werden aufgehängt, von Schwertern durchbohrt oder noch grausamer umgebracht. Mich haben diese Gewaltorgien in vielen Kirchen abgestoßen. Was hat das hier zu suchen? Die Frage konnte ich mir lange nicht beantworten. An Tagen wie heute kommt diese Frage wieder hoch. Denn heute erinnern sich die Kirchen an so einen grausam umgebrachten Heiligen. Einen Heiligen, der kurioserweise sogar mehrfach ums Leben kam. Die Rede ist von Sebastian.
Um Sebastian ranken sich viele Legenden. Die bekannteste: Im dritten Jahrhundert lässt der römische Kaiser Diokletian den bekennenden Christ Sebastian verhaften, an einen Baum binden und von Bogenschützen erschießen. Wundersamerweise stirbt Sebastian aber nicht, man hält ihn nur für tot. Eine Witwe pflegt ihn. Und als er gesund geworden ist, hat dieser Sebastian nichts Eiligeres zu tun, als wieder vor dem Kaiser aufzutauchen. Der ist wohl erstaunt, lässt den untoten Märtyrer aber kurzerhand totpeitschen. Und jetzt ist er wirklich tot.
In der Kunst ist Sebastian ein beliebtes Motiv. Unzählige Künstler haben den halbnackten, von Pfeilen durchbohrten Sebastian gemalt. Und wieder bin ich irritiert? Warum diese Lust an der Gewalt? An der Brutalität der Mächtigen? An der Ohnmacht der Gefolterten?
Mich überzeugt nur eine Deutung. All die Bilder sagen: Glaube ist keine harmlose Sache; beim Glauben geht’s im Grund um Leben und Tod.
Heute mutet das merkwürdig an. Glaube soll doch etwas Friedliches sein. Soll Menschen besser machen und glaubwürdiger. Das ist sicher wichtig. Aber vergessen wird dabei oft: Glaube fordert den Menschen heraus. Fordert ihn heraus, sich zu entscheiden: Wofür stehst du? Was ist dir wirklich wichtig? Und die Antwort darauf geht immer mit Konflikten einher. Denn wenn ich mich für etwas entscheide, dann entscheide ich mich immer gegen etwas anderes. Oder gegen andere. So wie Sebastian. Sein Glaube ist eine Entscheidung gegen den Kaiser. Und diese Entscheidung zieht Gewalt auf sich. Billiger ist der Glaube nicht zu haben. Heute sieht diese Gewalt anders aus. Wer glaubt, sieht sich herausgefordert: durch Konsum, Geld, Karriere, die in unserer Gesellschaft zentral sind. Wer sich aus dem Glauben heraus dagegen stellt, wird möglicherweise Unverständnis ernten. Konflikte heraufbeschwören. Aber die gehören eben zum Glauben dazu.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7526
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