SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Woran merkt man, dass man alt wird? Man redete immer öfter über seine Krankheiten. Die Verdauung, die nicht mehr das ist, was sie einmal war, die Schlafstörungen, das schlechte Gedächtnis. Nicht nur die Krankheiten werden im Alter zahlreicher, es wächst auch die Lust, darüber jederzeit und ausführlich Bericht zu erstatten.
Das wusste schon die Heilige Theresa von Avila. Mit jedem Tag, den sie älter wurde, fühlte
sie sich oft nur noch schwach und krank. Alles, was ihr früher schnell und unauffällig von der Hand ging, dauerte nun dreimal so lange. Und darum spürte sie in sich den Drang zu klagen. Auf der anderen Seite ging es ihr ziemlich auf die Nerven, sich das Gejammer ihrer Klosterschwestern anzuhören. Das ewige „Hier tuts weh und da tuts weh.“ Auch die wurden
ja nicht jünger. Jede von ihnen hatte mittlerweile irgendein Gebrechen. Und so gab es zwischen ihnen nur noch ein einziges Gesprächsthema: Krankheit und alles, was dazugehrt.
In dieser Zwickmühle betete Theresa zu Gott: „Herr, lehre mich schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu, und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr. Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen, mir die Krankheitsschilderungen anderer mit Freude anzuhören, aber lehre mich, sie geduldig zu ertragen.“
Das Schöne an dieser Bitte: Sie ist durchdrungen von Selbsterkenntnis. Theresa spürte, wie es ihr immer auf der Zunge lag: jetzt über die Rückenschmerzen zu stöhnen und dann laut über die Magenschmerzen nachzudenken. Die Erinnerung an die Zeit, als sie den eigenen Körper nicht jede Sekunde spürte, lag wie ein verlorenes Paradies hinter ihr. Aber sie wusste: Es hat keinen Sinn, den Tag damit zu verbringen, alle Unpässlichkeiten detailliert zu beschreiben. Schlimm genug, dass sie da sind. Warum aber noch den ganzen Tag darüber reden? Darum bittet Theresa: Lehre mich Schweigen über meine Krankheiten.
Gegen sich selbst will Theresa streng sein. Gegen andere aber geduldig. Geduldig, mehr nicht. Denn sie ahnte, dass sie es nie dahin bringen würde, die „Krankheitsschilderungen anderer
mit Freude anzuhören“. Appetitlich sind solche Schilderungen nie und nur die Ärzte interessieren sich wirklich dafür. Darum bittet Theresa einzig darum, nicht nervös zu werden, wenn andere ausführlich ihre Atemnot und ihre Gelenkbeschwerden beschreiben.
Spaß macht es nicht, Krankheitsklagen anzuhören. Aber es tut gut, wenn einmal jemand da
ist, der selbst das noch geduldig erträgt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7519
weiterlesen...