SWR2 Wort zum Tag

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Im Leben muss ich oft über Brücken gehen. Manche wachsen erst, wenn ich sie betrete. Brücken, die Trennendes überwinden, Vertrauen aufbauen, zu Neuem und auch Ungewissem führen. Der deutsch-französische Schriftsteller und Philosoph Manès Sperber hat das gewusst und so beschrieben:
Ein Mensch geht über eine Brücke, „die nicht existiert, sondern sich Stück um Stück unter dem Schritte dessen ausbreitet, der den Mut aufbringt, seinen Fuß über den Abgrund zu setzen. Der werdende doch nie vollendete Mensch auf der Brücke reicht nur so weit wie sein Mut.“
Dieses Bild von der Brücke ist ein Bild der Hoffnung, des Vertrauens und des Mutes. Ein Mensch geht über eine Brücke, die es nicht gibt – geht Schritt für Schritt. Ein großes Bild: Schritte tun auf einer Brücke, die es ohne unsere Schritte nicht gibt. Es ist eine Brücke, die mit jedem Schritt immer erst entsteht. Sie wird gebaut aus dem Mut eines jeden Schrittes – und sie reicht immer so weit, wie der Mut zum Gehen reicht. Die ins Land des Lebens hineinragende Brücke, eine Brücke über Gründe und Abgründe hinweg. Dass die Brücke nicht einstürzt – dass der Mut zum nächsten Schritt sie weiterbaut – auch wenn’s nur ein kläglicher, oft so armseliger Mut ist – dass die Brücke trägt, mich trägt – das meint: LEBEN.
Davon erzählt eine Geschichte im Johannesevangelium.
Nach seiner Auferstehung erscheint Jesus den verstörten, verängstigten und mutlosen Jüngern und sagt zu ihnen: „Friede sei mit euch.“ Friede. Schalom. Verzweifelt nicht! So irdisch ist dieser alte jüdische Gruß gemeint.
Jesus sagt zugleich: „Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Geht, ihr fallt nicht! Macht euch auf, geht in die Welt, vertraut darauf, dass ihr gehen könnt! Diesen Weg der Nachfolge gehen, heißt glauben, vertrauen.
Was Auferstehung ist, erfahren die Jünger, erfahren alle Späteren auf diesem Weg, im Gehen, nicht im Stehenbleiben, nicht im Rückwärtsschauen. Jesus hat das gelebt.
Der Glaube an den Auferstandenen gibt mir die Kraft, die Brücke des Lebens zu bauen. Dass sie mich trägt, dass sie wachsen kann, das ist für mich die Ermutigung zu gelingendem Leben. Damals wie heute. Auf diesem Weg ist mein Leben geborgen. Das ist eine unerhörte Zusage und Erfahrung. Dass der Mut zum nächsten Schritt immer wieder über mich kommt, dass ich gehe: Es ist nicht mein heroischer Mut. Nein, ich werde ermutigt, durch einen Menschen, durch Herausforderungen und Erlebnisse. Ich erfahre Mut. Ich erfahre ihn von anderen. So verbirgt sich Gott, so offenbart er sich.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7500
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