Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP


Den Reichen klauen und den Armen geben. Das war das Motto von Robin Hood. Dem Rächer der Entrechteten. Damals, in England, im Mittelalter. Mich hat der schon als Kind beeindruckt. Ich hab gespürt: Das kann nicht richtig sein, dass ein paar ganz viel besitzen und viele gar nichts.
Heute gehöre ich auch zu denen, die was besitzen. Gerade jetzt, ein paar Tage nach Weihnachten wird mir das klar. Für jedes Kind gab’s Geschenke, für die Familie, für Freunde – und ich selbst wurde auch beschenkt. Klar, da sind keine Luxussachen dabei. Aber für jeden ein oder zwei Geschenke, das ist allemal drin.
Und ich weiß: Anderen geht’s nicht so gut. Es gibt Menschen auch in unserem reichen Land, die auch in diesem Jahr kein Geld für Weihnachten übrig hatten. Die stellte selbst ein kleines Geschenk vor unlösbare Rätsel.
Heute, an Silvester vor dreiundsechzig Jahren, hat der Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings eine berühmte Predigt gehalten. Es herrschte bittere Not, kurz nach Kriegsende und mitten in einem grimmigen Winter. Und Frings sagte sinngemäß: Jeder darf in Zeiten der Not das nehmen, was er für sein Leben und seine Gesundheit nötig hat. Danach bürgerte sich in Köln und später auch in ganz Deutschland das Wort „fringsen“ für das ’Organisieren’ von Essen und Heizbriketts oder Kohle ein. Für viele war klar: Der Bischof hat erlaubt, dass wir Kohlen und Lebensmittel aus Zügen und Lastwagen klauen. Um überleben zu können.
Anders als bei Robin Hood klauten also hier die Armen direkt von den Reichen.
Das ist heute undenkbar. Diebstahl würden wir schreien. Zu recht. Aber niemand hindert uns, dass wir uns selbst beklauen. Und dann das Gestohlene denen geben, die es nötiger haben. Eine verrückte Idee? Die hatten vor einigen Jahren ein paar Düsseldorfer. Anlass: Die Düsseldorfer Südbrücke wurde in Josef-Kardinal-Frings-Brücke umbenannt. Aus diesem Anlass konnte man „rückwärts fringsen“. Ganz praktisch Briketts für Arme kaufen und dann spenden. Und ich hab gedacht, dass ich das ja auch für mich ganz alleine kann. Heute. Mich selbst beklauen und anderen was geben. Damit diese Welt vielleicht doch ein bisschen gerechter wird. Und ich bin sicher: zu so einem „rückwärts fringsen“ hätte der alte Kölner Kardinal sicher seinen Segen gegeben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7476
weiterlesen...