SWR2 Wort zum Tag

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Hat Glauben etwas mit Gesundheit zu tun?
Nein. Aber mit dem Gedanken, dass das Leben wertvoll ist.

Umfragen und Statistiken scheinen der Behauptung zunächst recht zu geben: Wer glaubt, ist gesünder. Hauptsächlich in den USA existiert eine umfangreiche medizinsoziologische Forschung, die seit vielen Jahren belegt, dass eine religiöse Bindung und das Gebet die Gesundheit und das Altwerden positiv beeinflussen.
Die Studien nennen mehrere Faktoren, die dabei eine Rolle spielen: Zum einen gehen Menschen, die ihr Leben nicht für einen biologischen Zufall sondern für ein Geschenk Gottes halten, in der Regel bewusster, will heißen: gesundheitsförderlicher, mit ihrem Leben um. Zum anderen: Die Aussagen der Befragten lassen erkennen: Ein lebendiger Glaube hilft dabei, emotionale Belastungen und körperliche Krisenzeiten besser zu verarbeiten.
Was also ist zu tun? Tüchtig beten und feste glauben, dann wird es schon wieder? Wer sich in die Situation und das Empfinden von kranken Menschen und ihren Angehörigen versetzt weiß, wie zynisch dieser Gedanke wirken kann, wenn man ihn umdreht. Denn dann gibt er letztendlich den Kranken selbst Schuld an ihrer Krankheit, indem er ihnen einen schwachen Glauben vorwirft. Es gibt gar nicht so wenige Gruppierungen, die so denken und die mit der Zahl ihrer Heilungswunder und mit der Kraft ihrer Gebete um Menschen werben, die in gesundheitlichen Krisen sind. Sie sagen: Wenn man nur recht und tüchtig glaubt, dann wird man wieder gesund. Und haben Zulauf dadurch: Wer will nicht gesund werden?
Auf die soeben erwähnten Untersuchungen können sich diese Gruppierungen allerdings nicht berufen, sie widersprechen sogar ausdrücklich dieser Schlussfolgerung. Denn in den zugrunde liegenden Umfragen wird auch deutlich: Nur diejenige Glaubenshaltung, die sich aus einer freien, positiven und herzlichen Gottesbeziehung entwickelt, ist förderlich, weil sie emotionale Krisen ausgleichen und balancieren kann. Wer aus Glaube und Gebet so etwas wie Glaubensmedizin oder Gebetstropfen macht, funktionalisiert und instrumentalisiert den Glauben. Der Glaube garantiert jedoch nicht, dass man gesund ist. Sondern er hilft, mit Krisen umzugehen.
Auch der gesunde Menschenverstand – und der ist ein Freund des Glaubens – gibt der Erkenntnis Recht, dass sich mein inneres Gleichgewicht irgendwie auf mein Gesamtbefinden auswirken wird. Damit ist nicht gesagt, dass ich immer jung, fit und ohne Einschränkungen leben werde. Aber ich bin und bleibe mir hoffentlich bewusst: Mein Leben ist ein Geschenk. Es ist wertvoll. Und das bleibt es, egal, ob ich in den Augen der Gesellschaft „gesund“ oder „krank“ bin.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=743
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