SWR2 Wort zum Tag

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„Ich steh an deiner Krippen hier“. Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer schreibt am vierten Advent 1943 aus dem Gefängnis an einen Freund, wie sehr ihn gerade dieses Weihnachtslied von Paul Gerhardt getröstet und ihm Hilfe gebracht hat. Er sagt auch, warum das so ist. Dieses Lied bringe ihm zum Bewusstsein, sagt er, dass es „eben neben dem Wir doch auch ein Ich und Christus“ gibt. „Ein Ich und Christus“ - was das meint, könne gar nicht besser zum Ausdruck gebracht werden als in diesem Lied.
Ausdruck findet der Glaube meist in der Gemeinschaft, in ihrem Feiern, Singen und Beten, im gemeinsamen Hören auf das Evangelium und in gemeinsamen Aktionen der Solidarität und der Caritas. Dies alles setzt aber das „Ich und Christus“ voraus, wie Bonhoeffer sagt. Diese persönliche Beziehung des einzelnen zu Christus ist das Fundament, darauf baut der gemeinschaftliche Glauben auf. Ohne dieses Fundament ist der Aufbau gefährdet.
Aber so wie das Fundament unsichtbar ein sichtbares Gebäude trägt, so ist es auch mit der persönlichen Beziehung eines Menschen zu Christus. Sie ist uns keineswegs immer bewusst; Eine Situation, in der wir völlig auf uns geworfen sind, abgeschnitten von den Menschen, zu denen wir uns zugehörig fühlen, kann uns daran erinnern, dass es „auch ein Ich und Christus gibt“.
So geht es Bonhoeffer: Allein im Gefängnis, abgeschnitten von den Menschen, die ihm kostbar sind, ohne Aussicht auf einen gerechten Prozess, Willkür und Gewalt unterworfen, unsicher, wie lange er auf das Urteil warten muss – in dieser Situation wird ihm unter allen Weihnachtsliedern gerade dieses Lied wichtig: „Ich steh vor deiner Krippen hier“: ‚Ich’ und ‚Du’, ‚Ich’ stehe vor ‚Dir’, Kind in der Krippe. Dein Leben und das meine stehen in einer ganz besonderen Beziehung.
„Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren. … Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du mein wolltest werden.“ So singt die zweite Strophe des Liedes. Die Beziehung zwischen Christus und dem einzelnen Menschen mit dieser persönlichen Tiefe auszudrücken – dazu fühlte sich Bonhoeffer als politisch aktiver Mensch eigentlich nicht berufen. Wie er schreibt, empfindet er das Lied „ein klein wenig mönchisch-mystisch“. In den Monaten im Gefängnis vor seiner Verurteilung und Hinrichtung, wird ihm nun gerade dieser ganz und gar persönliche Aspekt am Glauben unentbehrlich. „Ich steh an deiner Krippe – hier“. Mir gilt, heute, was Gott zusagt. Selbst über den Tod hinaus.

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