SWR2 Wort zum Tag

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Was macht den christlichen Glauben aus? Auf was kommt es dabei an? Bisweilen erkennen das gerade diejenigen, die nicht im Umfeld der Kirchen aufgewachsen sind, die den christlichen Glauben, von außen kommend, erst selber entdeckt haben. Oft haben gerade sie ein besonders waches Gespür. Am Anfang und am Ende des christlichen Glaubensweges steht das Staunen und die Freude darüber, dass Gott von sich aus auf den Menschen zukommt, dass er selbst sich zu erkennen gibt, dass er sich zeigt, einen Menschen spüren lässt, wer er für ihn ist.
Mir wird das an der Französin Simone Weil sehr deutlich. Sie lebte von 1909 bis 1943, sie war Mathematiklehrerin, Philosophin, Fabrikarbeiterin, aktiv im französischen Widerstand. Diese mitten im realen Leben stehende Frau bekennt, dass sie ergriffen und überwältigt wurde von der Erkenntnis: Gott muss nicht gesucht werden, er gibt sich selbst zu erkennen. Was sie erfahren hat, das schildert Simone Weil in einem anschaulichen Bild. „Es gibt Menschen“ – sagt sie – „die Gott näher zu kommen versuchen, wie jemand, der aus dem Stand möglichst hoch zu springen versucht, in der Hoffnung, dass er eines Tages, nachdem er jedes Mal ein wenig höher springt, endlich nicht mehr zurückfallen, sondern zum Himmel aufsteigen wird. Wir wissen, wie vergeblich das ist. Wir können auch nicht einen einzigen Schritt gegen den Himmel hinauf tun. Die Menschen, die mit beiden Beinen in den Himmel zu springen versuchen, sind von dieser Anstrengung ihrer Kräfte so sehr in Anspruch genommen, dass sie ihren Blick gar nicht mehr zum Himmel richten. Dabei ist es aber allein der Blick, der in dieser Sache etwas bewirken kann. Wenn wir lange Zeit den Himmel betrachten, steigt Gott hernieder und hebt uns empor. Er hebt uns mit Leichtigkeit empor. Das Göttliche ist mühelos. Es liegt im Heil eine Leichtigkeit, die für uns schwieriger ist als alle unsere Anstrengungen.“

Eine „Leichtigkeit, schwieriger als alle unsere Anstrengungen“. Es geschieht: Gott steigt vom Himmel hernieder. Er hebt Menschen, die ihn suchen, empor, ohne Anstrengung, mühelos. Vielleicht denken Sie an dieses Bild, wenn Sie in einigen Tagen Weihnachten feiern und sich fragen, wie seine Botschaft zu verstehen ist. Suchen wird nicht beendet, Fragen nicht einfach beantwortet. Doch wer nach Gott Ausschau hält, kann sich unvermutet von ihm angesehen, angesprochen wissen, in einer Weise, die er - die sie - nicht erwartet hatte.

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