SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ich kann mich gut daran erinnern, wie meine Oma stundenlang gesucht hat, wenn sie etwas verloren hat, den Personalausweis, das Zugticket, genau das eine Buch.
Mit welcher Hingabe sie gesucht hat, mit welcher Verzweiflung auch – das Verlorene, das war im Moment immer das Wichtigste. Erstaunlicherweise hat sie meistens gefunden, was sie gesucht hat. Und wenn sie etwas nicht mehr gefunden hat, dann hat sie gesagt: „Vielleicht findet es jemand, der etwas Gutes damit anfangen kann.“
Sie hat manchmal einen Satz aus der Bibel wiederholt:
„Sucht, dann werdet ihr finden.“ (Lukas 11,9) Aus ihrem Mund klangen diese Worte sehr zuversichtlich und gelassen. Auch wenn es bestimmt nicht leicht ist, etwas Wertvolles zu verlieren.
Bei der Bundesbahn häufen sich jedes Jahr viele verlorene Gegenstände an. Ich frage mich, vermisst das niemand? Sucht niemand danach?
Der größte Fund der Bahn war eine Tüte mit 400.000 Euro. Irgendjemand hat soviel Geld einfach im Zug einfach liegen lassen und dort vergessen. Drei Jahre lang hat man den Eigentümer des Geldes gesucht, doch vergeblich. Niemand hat sich gemeldet. Dieses Jahr wurde das Geld nun gespendet für einen guten Zweck – Finderlohn inklusive.
Der gute Zweck, in den das Geld geflossen ist, ist die Bahnhofsmission. Das ist eine kirchliche Einrichtung, die meistens direkt am Bahnhofsgelände ist. Die Bahnhofsmission ist Anlaufstelle für Menschen, die etwas verloren haben. Aber nicht nur materielle Dinge. Hier engagieren sich Menschen für andere. Sie helfen weiter, wenn jemand in seinem Leben nicht mehr alleine zurechtkommt. Die Bahnhofsmission ist für Menschen da, die aus der Bahn geraten sind, die drogenabhängig geworden sind, die hungrig sind, verletzt oder verzweifelt.
So gesehen, war es eigentlich ganz gut, dass niemand die 400.000 Euro vermisst hat. Denn mit dem gefundenen Geld wird nun etwas Gutes weiter geschenkt: Hoffnung.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7357
weiterlesen...