Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Erzähl mir keine Märchen!“ das bedeutet soviel wie: „Lüg doch nicht, schwindel mich nicht an, bau keine Luftschlösser.“ Ein großer Märchenerzähler ist heute vor 150 Jahren gestorben: Wilhelm Grimm, zusammen mit seinem Bruder Jakob hat er die Grimm’s Märchen herausgebracht, wohl eine der wichtigsten deutschen Märchensammlungen. Die Gebrüder Grimm waren bedeutende Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts, ihre Forschungen zur deutschen Sprache waren wegweisend, wohl keiner wird ihnen unterstellen, Lügner gewesen zu sein.
Trotzdem bleibt umgangssprachlich ein Märchenerzähler einer, den man nicht ganz ernst nehmen muss. In anderen Kulturen ist das anders. Im Orient zum Beispiel ist der Märchenerzähler ein angesehener Beruf. Weil man weiß, der Mann erzählt Geschichten, die manchmal unrealistisch und ein wenig phantastisch klingen, die aber immer eine tiefe Wahrheit ausdrücken. Im Orient gibt es eine große Tradition, die wichtigen Dinge des Lebens, die großen Wahrheiten in Geschichten zu erzählen.
Viele Geschichten in der Bibel klingen auch sehr phantastisch, märchenhaft. Etwa, wie der Prophet Jona vom Fisch verschluckt und nach drei Tagen wieder ausgespuckt wird. Oder wie Moses auf Geheiß Gottes die Hand ausstreckt und damit das Rote Meer spaltet. Oder wie Jesus mit fünf Broten und zwei Fischen tausende von Menschen satt bekommt. Gerade wegen dieser phantastischen Geschichten haben viele aber Schwierigkeiten mit der Bibel. „Das ist doch ein Märchenbuch, das ist was für Kinder, das kann ich nicht glauben.“ Vielleicht müssen wir die Geschichten der Bibel viel stärker mit den Ohren eines Menschen aus dem Orient hören. Der weiß, hinter den phantastischen Geschichten stecken oft große Wahrheiten. Beim Propheten Jona zum Beispiel, dass man sich vor Gott nicht verstecken kann, bei Moses, dass Gott sein Volk auch in ausweglosen Situationen rettet und beim Brotwunder von Jesus: Wenn wir teilen, was wir haben, werden alle satt.
Unsere Welt wäre ärmer ohne diese Geschichten. Deshalb ist es wichtig, sie immer weiterzuerzählen und die großen Wahrheiten in ihnen zu entdecken.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7320
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