SWR2 Wort zum Tag

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27FEB2007
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Merkwürdig, dieser Hinweis des Apostels Paulus im Römerbrief: „Rächt euch nicht selbst“, schreibt Paulus da, „vielmehr, wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen: dürstet ihn, gib ihm zu trinken.“ Soweit klingt alles noch gewohnt christlich. Aber dann fährt Paulus fort: „Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.“ Gutes tun, um glühende Kohlen auf das Haupt des Feindes zu häufeln - verträgt sich das mit christlichem Gedankengut? Darf man das überhaupt als Christ: an Rache denken, auch an eine Rache der Freundlichkeit?
Mir gefällt, dass der Apostel es erst einmal ernst nimmt, dass Menschen Rachegedanken haben können. Natürlich könnte Paulus es bei diesem: „Rächt euch nicht selbst“ belassen - aber was tun dann die Menschen mit ihren verletzten Gefühlen und mit ihrem Rachedurst? Einfach weggedrückt, werden sich diese Gefühle wie Säure in die Seele fressen und - früher oder später - zerstörerisch nach außen drängen. So bleiben die Menschen im Machtbereich dieser bösen Energien.
Paulus zeigt einen Weg, wie Menschen ihren Rachedurst im Machtbereich des Guten ausleben können. Es ist eine Möglichkeit, regelrecht lustvoll zu agieren. Probieren Sie es aus: es funktioniert! Bösartig ausagierte Rache hinterlässt letztlich doch nur einen schalen Nachgeschmack, man begibt sich auf das Niveau des Gegners, kann sich am Ende kaum noch im Spiegel anschauen. Dagegen macht es richtig Spaß, die glühenden Kohlen der Freundlichkeit auf ein gehasstes Haupt zu schaufeln. Nett zu sein, wenn der andere viel Schlimmerers befürchtet, ein Lächeln zu schenken, wenn die Gegnerin einen Schlag unter die Gürtellinie erwartet. So ausgelebt hat die Rache gar keine Chance, sich ätzend auf meine Seele auszuwirken. Ich darf sie bewusst ausleben.
Merkwürdigerweise verändert sich dadurch manchmal auch die Sichtweise auf den Gegner: zumindest bleibt der Weg dafür offen, dass aus Feinden Menschen werden, die auch gute Seiten am anderen entdecken können. Etwa dann, wenn der durch Freundlichkeit Beschämte sich entschuldigt für das, was er einem angetan hat. Jedenfalls zerstöre ich nichts dadurch, dass ich zu jemandem freundlich bin, der mich verletzt hat. Im Gegenteil!
Und während Rachetaten, die im Machtbereich des Bösen ausgelebt werden, meistens andere böse Aktionen nach sich ziehen, weil Böses immer Böses gebiert, ist es mit der lächelnden Rache auch irgendwann einmal erledigt. Sie durfte ihre Zeit haben, ich habe mich ausgelebt und kann mich neuen Aufgaben zuwenden.
Dem guten Rat des Apostels sei Dank. „Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ gibt mir Paulus noch mit auf den Weg. Ich werde es beherzigen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=732
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