SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, / es kommt der Herr der Herrlichkeit...“
Ein Staatsempfang der Extraklasse also! Als wenn Obama käme. In diesem Lied sind es biblische Bilder: Ein Tempel, eine Palastanlage, heute wär’s das Bundespräsidialamt oder der beste Festsaal. Jedenfalls läuft die Vorbereitung auf Hochtouren, für den hohen Gast soll alles vom Feinsten sein: Im Lied sind alle angesprochen, an der Vorbereitung mitzuwirken.
Mitten in schwierigsten Zeiten – es ist Krieg in Europa – träumt der evangelische Pfarrer Georg Weissel mit seiner Gemeinde von der Ankunft Christi. „Er ist gerecht, ein Helfer wert. / Sanftmütigkeit ist sein Gefährt... O wohl dem Land, o wohl der Stadt, / so diesen König bei sich hat.“ Mit der Gestalt Jesu verbinden sich alle Hoffnungen für den einzelnen und die Menschheit. Mit ihm kommt jenes Kontrastprogramm in die Welt, das wirklich allen Recht schafft und gut tut. Mitten im christlichen Lied ist es die uralte jüdische Hoffnung: Wenn der ersehnte Messias endlich kommt, wird alles wieder gut: „Keine Klagen mehr, keine Tränen, keine Gewalt.“ Je größer die Erwartung, desto konsequenter die Vorbereitung auf sein Kommen. Der Eindruck vom äußeren Staatsempfang wird zum Bild für die innere Begrüßung: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, euer Herz zum Tempel zubereit“. Nicht die Palastanlage draußen, nicht der Festsaal, nein: das eigene Leben ist der bevorzugte Ort, wo wir ihn begrüßen. Nicht der Petersdom, nicht die schönste Kathedrale, nicht der Kirchenraum – entscheidend ist die innere Aufgeschlossenheit. Entsprechend gilt es aufzuräumen und alles herzurichten, damit er kommen kann.
Heute ist ein besonderes Marienfest: Marias Erwählung wird gefeiert, ihre Offenheit für den lebendigen Gott von Anfang an. Den katholischen Christen gilt Maria als besondere adventliche Gestalt: durch sie kommt Jesus in die Welt, das Gottesgeschenk schlechthin, Gott selbst. Glauben heißt, Gott zur Welt kommen zu lassen. Was in Maria einmalig glückte, soll in jedem Menschen gelingen: Jeder Mensch ist eingeladen, das zu werden, was er ist: ein Tempel Gottes, ein Ort seiner Gegenwart, Quellpunkt göttlicher Liebe für andere Menschen. Heute feiert die Kirche für Maria, was für jeden Getauften schon gilt: die Fähigkeit, Gott zu empfangen und zur Welt zu bringen. Was in ihm, dem einzigen, endgültig schon geglückt ist, soll überall wahr werden. Und dazu braucht es diese vorweihnachtliche Zubereitung, diese Entrümpelung der Seele, diese Aufräumarbeiten in der Biographie.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7290
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