Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Hier drinnen ist Jesus, das Licht der Welt.“ Dieses Schild in einem Armutsviertel Chicagos hat ihn bewegt: Carlo Schmid. Carlo Schmid ist einer der Väter des Grundgesetzes. Heute vor 30 Jahren ist er gestorben.

Er war mehr ein Mann des Geistes als ein Mann der Macht. Er war, wie er sagte, nicht in die Politik gegangen, um Karriere zu machen. Carlo Schmid ist in die Politik gegangen, weil er sich mit den Zuständen in der Welt nicht abfinden wollte.

Die Menschen, so wünschte sich Carlo Schmid, vor allem die Menschen in der Politik, sollten mehr guten Willen, mehr Verstand, mehr mitmenschliches Fühlen walten lassen. Sie sollten in die Politik gehen, um Wandel zu schaffen, „auf dass Idee und Wirklichkeit des Menschen sich decken können.“

Zur Wirklichkeit des Menschen gehört nach Auffassung Schmids auch der Glaube. Nicht der Glaube als theoretisches Konstrukt, sondern als Lebenswirklichkeit. So berichtet der Politiker von einer Reise in die USA, die er in der Mitte der 50er Jahre antrat. Nach Chicago führte sie.

Eine „Plebejerstadt“ nennt Carlo Schmid die Industriemetropole. Und in ihr gelte nur der Erfolg der Arbeit und des Fleißes. Umso erschütterter registriert der Besucher aus dem damaligen Wirtschaftswunderland Deutschland die vielen Menschen, die arbeitslos auf den Bürgersteigen sitzen. Und die darauf warten, bis ihnen wieder eine unterbezahlte Arbeit angeboten wird.

In einem der Armutsviertel entdeckt der Besucher ein Schild. Dieses Schild an einem armseligen „Bethaus“ trägt die Aufschrift: „Hier drinnen ist Jesus, das Licht der Welt.“ Carlo Schmid schreibt dazu: „Hier schien mir ein stärkerer Glaube zu walten als im Schatten der Türme vieler Kathedralen.“

Jesus, das Licht der Welt. Carlo Schmid entdeckt es in einem Winkel der Millionenstadt, einem Winkel der Welt. Und diese Entdeckung trägt mit dazu bei, dass der Politiker die Welt, in der er lebt, nicht in ihrem Mangel belässt, sondern sie in Anbetracht der Möglichkeiten besser macht. Eine Aufgabe, die auch uns heute gestellt ist. Wir müssen nur hinter die Glitzerwelt schauen. Dann haben wir die Chance das Licht Welt dort zu entdecken, wo wir es am wenigsten vermuten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7270
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