SWR2 Wort zum Tag

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Es gibt Ereignisse und Augenblicke im Leben, in denen Menschen sich als klein erleben, unbedeutend, ohnmächtig, sogar als Opfer.
In einer solchen Situation kann man grübelnd fragen, warum das so ist. Was hat mich in diese Lage gebracht? Was habe ich selbst, was haben andere dazu beigetragen? Aber oft suchen wir vor allem einen Sinn in dem, was geschieht, und fragen, wozu es gut sein könnte.
So der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, der wegen seines Widerstands im Dritten Reich hingerichtet wurde. Bonhoeffer hatte erlebt, wie die Machthaber Menschen wie ihn mit allen Mitteln klein zu machen versuchten. In seiner Notiz „Nach zehn Jahren“ fragt er im Winter 1942/43, was in diesen Jahren aus ihm geworden ist. Dabei vermeidet er, was naheliegend gewesen wäre: sich moralisch und religiös über die anderen zu erheben, die Folterer und Henker, Spitzel und Mitläufer. Vielmehr fragt er sich und seine Gefährten im Widerstand „Sind wir noch brauchbar? – oder sind wir durch die Zeit des Misstrauens, der Verstellung, der bösen Taten und der falschen Rede selbst schon verderbt und mürbe geworden?“
Die Antwort, die er gibt, überrascht: „Es bleibt ein Erlebnis von unvergleichlichem Wert – sagt er - dass wir die großen Ereignisse der Weltgeschichte einmal von unten sehen gelernt haben, aus der Perspektive der Ausgeschalteten, Beargwöhnten, Schlechtbehandelten, Machtlosen, Unterdrückten und Verhöhnten, kurz der Leidenden“. Und Bonhoeffer verbindet damit den Wunsch: „Wenn nur in dieser Zeit nicht Bitterkeit oder Neid das Herz zerfressen hat, auf dass wir jetzt Großes und Kleines, Glück und Unglück, Stärke und Schwäche mit neuen Augen ansehen, auf dass unser Blick für Größe, Menschlichkeit, Recht und Barmherzigkeit klarer, freier und unbestechlicher geworden ist“. Und schließlich drückt er die Hoffnung aus, dass eigenes Leiden ein tauglicher Schlüssel zum Leben sei, dass erlebtes Leiden sogar ein fruchtbareres Prinzip ist zur Erschließung der Welt als persönliches Glück.
Menschen, die eine Zeit des Leidens durchmachen, fällt es schwer, in dieser Phase ihres Lebens etwas Positives zu erkennen. Dietrich Bonhoeffer sagt, er habe in diesen Jahren die Welt von unten sehen gelernt, sie habe ihm die Augen geöffnet für die Schlechtbehandelten, die Verachteten, Machtlosen und Unterdrückten. Sein Blick für Größe, Menschlichkeit, Recht und Barmherzigkeit sei klarer und unbestechlicher geworden.
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