Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

(nur SWR 1 Anstoß anlässlich des Anstößetages in SWR 1 rh-pf, siehe auch Info auf Startseite! Text SWR 1 Morgengruß siehe unten!)

Zwei junge Fische begegnen einem älteren Fisch. Der nickt den beiden zu und sagt dann: „Morgen, Jungs, wie ist das Wasser denn so?“ Die beiden jungen Fische gucken sich fragend an, dann schwimmen sie grußlos weiter. Nach einer Weile dreht sich der eine zum anderen um und fragt: „Was zum Teufel ist Wasser?“
Fische, die das Wasser nicht kennen? Es sind die lebensnotwendigen Dinge, die wir oft kaum bemerken. Es sind die selbstverständlichen Dinge, die übersehen werden. Es ist das Offensichtliche, das wir nicht sehen. Und doch brauchen wir vieles so selbstverständlich, wie Fische das Wasser. Wir atmen, ohne groß darüber nachzudenken. Und wir vertrauen – in ganz vielen Dingen und Situationen des Lebens.
Gestern Abend bin ich ins Bett gegangen – und hab darauf vertraut, dass ich heute Morgen aufwache. Hab vertraut, dass ich nicht sterbe, dass unser Haus nicht abbrennt, dass niemand einbricht, dass nichts passiert. Und heute Morgen: fast alles, was ich tue, ist mit einem riesigen Vertrauensvorschuss ausgestattet. Dass die Kaffeemaschine funktioniert, dass die Zeitung im Briefkasten liegt, dass der Fön nicht explodiert. Und so weiter. Leben heißt: jedem Tag Vertrauen zu schenken.
Auch Menschen schenke ich Tag für Tag mein Vertrauen. Dem Autofahrer hinter mir, dass er mich nicht umfährt, unseren Kinder, dass sie gut zur Schule kommen, mir selbst, dass ich gut mit diesem Tag umgehen kann.
Und schließlich vertraue ich auch Gott. Wie sich das äußert? Ich vertraue, dass ich gehalten bin, dass Gott mich begleitet, auch wenn ich allein, zerknirscht, traurig bin. Das ist ein Grundvertrauen, die Hoffnung, dass mein Leben insgesamt sinnvoll ist und gelingen kann. Und ich bin überzeugt, dass jeder Mensch so ein grundsätzliches Zutrauen in sich und die Welt braucht, um leben zu können.
Das ist so selbstverständlich, dass ich oft gar nicht darüber nachdenke. Zum Glück. Denn nur so geht und gelingt Leben. Nur wenn ich vertraue, kann ich frei sein, kann mich entscheiden, auf andere zugehen, mit anderen leben. Menschen brauchen Vertrauen zum und ins Leben – so wie Fische das Wasser brauchen.


SWR 4 Morgengruß von Dr. Christoph Kohl

Die „Goldene Regel“ für die Haushalts- und Finanzpolitik

Die neue Bundesregierung will endlich den Weg in den Schuldenstaat stoppen. Ihr Ziel: Die künftigen Generationen dürfen nicht übermäßig durch Staatsschulden belastet werden. Daran will sie ihre Haushalts- und Finanzpolitik ausrichten. Und dafür hat sich die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag „Goldenen Regeln“ gegeben. Eine davon lautet: „Alle staatlich übernommenen Aufgaben werden auf ihre Notwendigkeit hin überprüft. Jeder Aufgabenbereich muss einen Beitrag zur Erfüllung der Anforderungen der neuen Schuldenregel leisten.“ Klingt gut. Fragt sich nur, ob diese schönen neuen „Goldenen Regeln“ wirklich zum Erfolg führen.
Das hängt ja nicht nur von den Politikern ab. Die müssen gewählt werden. Und sie wollen wiedergewählt werden. Also richten sie sich nach dem Wählerwillen. Der bestimmt die Politik wesentlich mit: Soweit wie möglich geben die Politiker uns das, was wir von ihnen wollen. Und das vermehrt die Schuldenlast, die das Leben der kommenden Generationen schwer machen wird. Denn der Staat hat bald keinen Spielraum mehr, um seine elementaren Aufgaben zu erfüllen.
Die neuen „Goldenen Regeln“ der Bundesregierung spielen auf die „Goldene Regel“ an, die sich in der Bibel findet. Sie lautet: „Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen.“ (Mt 7, 12). Im Volksmund: „Was Du nicht willst, das man Dir tu’, das füg’ auch keinem andern zu.“ Das heißt: Wenn wir für uns soziale Sicherheit und Wohlstand wollen, dann dürfen wir jetzt nicht so mit dem Geld umgehen, dass wir dadurch unseren Nachkommen soziale Sicherheit und Wohlstand wegnehmen. Genau das passiert aber, wenn der Schuldenberg in den nächsten Jahren weiter so ansteigt. Es hängt also wesentlich von unseren heutigen Ansprüchen an den Staat ab, ob unsere Kinder, Enkel und Urenkel in Zukunft vom Staat noch das bekommen können, was sie unbedingt brauchen. Folglich müssen wir unsere Erwartungen zurückschrauben. Wir brauchen einen Kompromiss zwischen unseren Ansprüchen und den berechtigten Ansprüchen der kommenden Generationen. Nur so hinterlassen wir ihnen lebenswerte Lebensbedingungen.
Und wir brauchen Menschen, die sich für diese generationenübergreifende Solidarität beherzt in der Politik einsetzen – ohne gleich auf Wählerstimmen zu schielen. Nur so wird auch hier die „Goldene Regel“ wirklich umgesetzt. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7185
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