Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

(Text SWR 1 Anstoß anlässlich des gestrigen Anstößetages -
SWR 4 Morgengruß mit Klaus Rudershausen, Text siehe unten)


„Nicht vom Brot allein lebt der Mensch“, diesen biblischen Satz haben wir gestern hier bei SWR 1 mal wieder bestätigt bekommen. Wir, das sind die Leute von der Kirche, die hier morgens die Anstöße machen. Den ganzen Tag saßen wir im Studio und haben ihre Anrufe entgegengenommen. Es ging um das Thema Vertrauen. Sie haben erzählt und wir haben zugehört. Da war viel die Rede davon, wie wichtig Vertrauen ist. Viele erzählten, wie gut es ist, Vertrauen zu erfahren und gerade die Familie sei für sie der Ort des Vertrauens. Aber natürlich war auch ganz viel vom Vertrauensbruch die Rede und wie schwierig das Leben wird, wenn sich Misstrauen breit macht. Wenn nach Jahrzehnte langer Partnerschaft plötzlich Schluss ist, man im wahrsten Sinne des Wortes aus den Wolken des Vertrauens in das tiefe Loch des Misstrauens fällt. Und wie das Leben dann verarmt, weil man selbst den guten Worten von Freunden nicht mehr traut. Wie man in eine Spirale des Misstrauens kommt und dabei einsam wird.
„Nicht vom Brot allein lebt der Mensch.“ Dieser biblische Satz geht noch weiter. Es heißt: „Sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt.“ Mit dem Gottvertrauen war das gestern beim Anstößetag so eine Sache. Die einen haben mit dem Vertrauen in die Menschen auch ihr Vertrauen in Gott verloren. Ihre Enttäuschungen, ihre Probleme, ihr Leid haben sie dazu gebracht, zu sagen: „Ich habe auch kein Vertrauen mehr in Gott, erst recht nicht in einen Gott, der es gut mit mir meint.“ Und andere haben gesagt: „Auch wenn ich von Menschen und auch von der Kirche immer wieder enttäuscht wurde, mein Gottvertrauen lass ich mir nicht nehmen.“ Zwei Standpunkte, beide verständlich.
In der Bibel reagieren die Leute auf Enttäuschungen und Leid meist mit der Klage. Sie reden nicht, sie schreien sich ihre Probleme von der Seele. Und der Adressat ihrer Klage ist Gott. Er bekommt all ihr Leid, ihren Frust, ihre Enttäuschungen an den Kopf geworfen. Das kann helfen - auch heute – ein erster Schritt in Richtung Vertrauen, dass da doch einer ist, der zuhört.


SWR 4 Morgengruß

Einen Augen-Blick am Morgen

von Klaus Rudershausen, Alt-Katholische Kirche

Ein Augenblick ist mir in letzter Zeit wichtig geworden. Ihn versuche ich jeden Tag ganz bewusst wahrzunehmen. Es ist der Zeitpunkt, an dem ich aus der Haustür trete. Von einer auf die andere Sekunde verlasse ich die wohltuende Ruhe, die Wärme, das Zuhause und gehe raus. Im Moment ist das oft eine kalte Wirklichkeit. Draußen herrscht November-Wetter. Und ich spüre an der Haustür körperlich, was das heißt: es ist kalt, regnerisch. Manchmal will ich mich da wieder rumdrehen und schnurstracks ins Haus zurückgehen.
Ich spüre: Jetzt liegt es an mir, wie ich damit umgehe. Ich kann den Kopf einziehen und versuchen, mich einzuigeln – als ob ich der Temperatur und der Feuchtigkeit trotzen könnte! Ich kann aber auch die Kühle genießen, die mich endgültig aufweckt.
Dies ist der Augenblick, an dem ich gefragt bin: Nimmst Du die neue Herausforderung an, vielleicht als Chance, als Geschenk, als Einladung oder möchtest Du gern kneifen, Dich zurückziehen, abwehren?
Ich kann ihn bewusst erleben diesen Augenblick, diesen Schritt heraus aus der Geborgenheit zu Hause hinein in alles, was mich erwartet – ein Arbeitsalltag mit seinen neuen Herausforderungen oder seiner Gewohnheit, die Schule, das Büro, das Geschäft, der Laden um die Ecke oder zunächst einfach nur das Auto.
Für mich ist es immer wieder interessant zu beobachten, wie ich selbst reagiere in diesem unscheinbaren Augenblick, wenn ich über die Schwelle trete. Wie wird es heute oder wie war es bereits?
Ich habe es selbst in der Hand, jeden Tag aufs Neue kann ich diesen kleinen Augenblick wahrnehmen. Ich kann spüren: Es ist nicht das Wetter, es sind nicht Kälte und Feuchtigkeit, die meine Haltung bestimmen – ich selbst kann darauf zugehen, mir ist dieser Tag gegeben.
Es ist nur ein kleiner Augenblick, eben dann, wenn es aus dem Haus geht – den kann ich spüren, bewusst erleben – für mich ist es wie ein Geschenk, wie ein Segen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7184
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