Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Die närrische Zeit ist in vielen Gegenden geprägt von den Karnevalssitzungen. Es ist toll, was da immer wieder auf die närrischen Bretter gezaubert wird. Ich bewundere vor allem die Büttenredner. Ihre Leistung: Sie verpacken kritische Anfragen mit viel Humor, so dass keiner böse ist. Sie nehmen gesellschaftliche Zustände und bedenkliche Entwicklungen aufs Korn. Sie schreiben den Politikern und Wirtschaftsbossen ihre Fehler ins Stammbuch. Dem kleinen Mann sagen sie seine Eigenheiten auf den Kopf zu. Sie bringen all das ins Wort, was in der Welt im Großen und Kleinen fragwürdig ist. So halten sie der Gesellschaft einen Spiegel vor. Das ist ja ihre Aufgabe.
Manche dieser Anfragen sind ernst – aber sie werden nicht ‚tierisch ernst’ serviert, sondern mit einem Augenzwinkern. Mit einem Schmunzeln, das deshalb auch die Hörer zum Schmunzeln reizt – weil sie liebevoll karikiert werden.
So passiert genau das, was Max Frisch empfiehlt: „Man soll den Menschen die Wahrheit nicht wie einen nassen Lappen um die Ohren schlagen, sondern wie einen Mantel hinhalten, in den sie hineinschlüpfen können.“
Das gelingt erst recht, wenn der Büttenredner in seinem Vortrag auch sich selbst auf die Schippe nimmt. Dann spüre ich besonders gut, dass er die Wirklichkeit und sich selbst aus einem gewissen Abstand betrachtet. Das macht letztlich das Geheimnis des Narren aus: Dass er das Leben, die Mitmenschen und sich selbst mit einer gewissen Lockerheit und Gelassenheit anschaut. Dass er nicht in seine eigene Sicht verkrampft ist, sondern dass er mit innerer Freiheit an das Ganze herangeht. Dass er mit sich spielt und die Welt mal mit den Augen eines ganz anderen anschaut. Und eben mit Humor.
Genauer betrachtet ist das eine zutiefst christliche Grundhaltung: Gelöst durch das Leben gehen, mit innerer Freiheit und deshalb mit einem gewissen Abstand zu den Dingen – das sind Früchte der Erlösung, das steht Christenmenschen besonders gut an. Der heilige Thomas Morus hat deshalb ausdrücklich um Humor gebetet: „Herr, schenke mir Sinn für Humor, gib mir die Gnade, einen Scherz zu verstehen, damit ich ein wenig Glück kenne im Leben und anderen davon mitteile.“
Katholisches Gebet- und Gesangbuch „Gotteslob“ 8, 3)


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