SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken


Im Graben liegt ein schwer verletzter Mann, kaum noch am Leben. Wegelagerer haben ihn niedergeschlagen und ihm sein Hab und Gut genommen. Da kommt einer vorbei und geht eilig weiter. Vielleicht hat er keine Zeit. Noch einer kommt vorbei und geht eilig weiter. Vielleicht will er sich nicht die Hände schmutzig machen. Ein dritter schließlich bleibt stehen. Versorgt die Wunden des Verletzten und bringt ihn in die nächste Herberge. Das Ganze ereignet sich auf der Straße zwischen Jerusalem und Jericho. Der Held der Geschichte wurde bekannt als der „barmherzige Samariter“.

Wie aber geht die Geschichte weiter? Vielleicht so: Dieser barmherzige Samariter reitet nach seiner Heldentat weiter. Er kommt nach Hause, wo seine Frau auf ihn wartet. Ungeduldig trommelt sie mit den Fingern an den Türrahmen. „Wo warst du eigentlich die ganze Zeit?“, schimpft sie ihn aus. „Du hast doch versprochen, einkaufen zu gehen.“ Ein kleines blondes Mädchen rennt die Treppe herunter. „Papa, da bist du ja endlich. Kannst du mit mir Lesen üben.“ Und von oben ruft es schwach: „Sohn, bist du es? Hilf mir doch mal in den Rollstuhl.“

Jetzt steht er da, der barmherzige Samariter, und ist zutiefst verunsichert. Was es denn so falsch gewesen, diesem Fremden am Wegesrand zu helfen? Aber was hätte er denn tun sollen? Hätte er das Schreien überhören, die Wunden übersehen sollen? Hätte er einfach weitergehen sollen?

Jesu Antwort auf diese Fragen ist klar. Nein, hätte er nicht. Er hätte nicht einfach weitergehen sollen. Es gibt Situationen, die sind so klar, dass sich jede Entscheidung erübrigt. Wenn da einer liegt und leidet und blutet, dann habe ich eine Pflicht. Eine Pflicht als Mensch gegenüber einem anderen Menschen. Auch wenn es ein völlig Fremder ist.

Dies im Alltag zu leben, ist in der Tat nicht immer einfach. Mitten in den Bedürfnissen anderer und nicht zuletzt meiner eigenen. Es ist eine Frage des Abwägens. Und der richtigen Entscheidung. Der Samariter hat sie getroffen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7145
weiterlesen...