SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag


Heute ist Buß- und Bettag. Ein Feiertag der Evangelischen Kirche. Als gesetzlicher Feiertag wurde er vor 15 Jahren abgeschafft, um die Arbeitgeber von Kosten der damals neu eingeführten Pflegeversicherung zu entlasten. In vielen evangelischen Gemeinden wird er nach wie vor begangen. Oder wieder neu entdeckt. Mir persönlich ist er auch sehr wichtig.
Für viele war er einfach ein arbeitsfreier Tag. Ein Tag des Atemholens vor der Weihnachtshektik. Mit dem Hinweis auf das Atemholen ist nicht einfach nur ein Teilaspekt dieses Feiertags umschrieben. Etwa in dem Sinn, dass das Atemholen übrig bleibt, wenn man den religiösen Sinn dieses Tages dran gibt. Das Atemholen ist der Sinn dieses Tages. Auch in seiner religiösen Dimension.
Der Name des Feiertags – Buß- und Bettag - mag das eher verdecken. Vor allem, wenn ich Buße auf das Erbringen einer Bußleistung reduziere. Dem Buß- und Bettag, so wie ich ihn verstehe, geht es aber um etwas völlig anderes. Dieser Tag meint mit seinen beiden Schlüsselbegriffen vom Büßen und vom Beten ein Abstandgewinnen von der völligen Vereinnahmung durch die Abläufe des Alltags. Davon, dass wir eingebunden sind in persönliche, familiäre und berufliche Pflichten. All das fällt am Bußtag ja nicht einfach weg. Aber dieser Tag könnte zu einem werden, an dem ich das heilsame Abstandgewinnen einübe. Das eine Mal im Versuch einer geänderten Einstellung. Das andere Mal, indem wir tatsächlich einer Form der Vereinnahmung den Abschied geben.
Wer aber immer nur funktioniert, ist nicht mehr Herr seines Lebens. Deshalb ist der Bußtag ein Tag des Atemholens auch in seiner ursprünglichen Bedeutung. Ein Tag, an dem ich meinem Leben eine neue Richtung gebe. Das meint der Hinweis auf das Beten. Wer betet, überschreitet den Horizont des Menschenmöglichen. Richtet sich auf einen Orientierungspunkt aus, der jenseits unserer alltäglichen Routinen liegt. Deshalb möchte ich den Buß- und Bettag als einen Tag der Veränderung verstehen – und wenn möglich – gestalten. Der bewusst gesuchte Abstand ermöglicht mir einen Neuanfang mitten im Alten. Genau das ist auch die ursprüngliche Bedeutung des griechischen Wortes, das mit dem deutschen Wort Buße wiedergegeben wird. Erneuerung des Denkens. Und dann natürlich auch unseres Handelns. Einhalt. Abstand. Neubesinnung. Umkehr.
Darum hoffe ich darauf, dass sich heute eine kleine Gelegenheit bietet, es mit dem Atemholen auszuprobieren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7140
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