SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag


Wenn die Dunkelheit am größten ist, wird die Sehnsucht nach Licht am stärksten. Die Feste der dunklen Tage sind darum Lichterfeste. Nicht nur an Weihnachten ist das so, sondern schon lange vorher. Seit dem Martinstag ziehen Kinder mit ihren Laternen durch die Straßen. Und in einigen Gegenden hat es früher sechs Adventssonntage gegeben, damit der Schein der Kerzen nicht zu lange auf sich warten ließ. Gäbe es diesen Brauch noch, dann läge der erste Advent bereits hinter uns.
Gerade der November kommt meist recht düster daher. Seine Tage sind noch nicht so von dem Licht erhellt, das der Advent bald in die Dunkelheit wirft. Kein Wunder, dass sich im November die Tage häufen, die uns die Endlichkeit des Lebens vor Augen führen. Und die Erinnerung an diejenigen in uns wach rufen, die nicht mehr unter uns leben.
Nichts tut mir da so gut wie das Licht. Ich habe deshalb große Sympathie für die bevorstehende Beleuchtung unserer Städte in den adventlichen Tagen. Auch wenn diese mit meinem ökologischen Gewissen im Streit liegt. Dieses Licht bringt für mich viel mehr zum Ausdruck als der Aufruf: „Kommt her und kauft!“. Mir tut das Licht einfach gut. Es wirkt auf mich wie der Schein einer Kathedrale, der sich auf den Weg hinaus in die Welt gemacht hat. Lässt mich das irdische Spiegelbild einer himmlischen Wirklichkeit erahnen.
Es ist die Sehnsucht nach Licht, die diese Tage bestimmt. Nach Licht für uns, denen die Sonne derzeit die Fülle ihres Glanzes vorenthält. Und die Sehnsucht nach Licht für diejenigen, derer wir in diesen Tagen gedenken. Vor der Musik des Advent und der Weihnacht bestimmen die Aufführungen von Requien das musikalische Programm der Kirchen und Konzertsäle. Ob von Mozart, Schumann, Bruckner oder Fauré. Eine Bitte im Text der Requien ist ganz zentral: „Das ewige Licht möge ihnen leuchten“. Dass Leben nicht ohne Licht auskommt, das ist also nicht nur eine biologische Erkenntnis. Sondern eine, die über unser Leben hier weit hinausreicht.

Jesus hat diese Licht-Metaphorik auch auf sich selber bezogen. „Ich bin das Licht der Welt“, sagt er im Johannes-Evangelium. Ihm geht es um eine Form von Erleuchtung, die mein Leben tatsächlich in ein neues Licht setzt. Und die man mir auch abspüren kann. Erleuchtet kann ich also leben. Von Gott erleuchtet. „Lebt als Kinder des Lichts!“ Dazu fordert uns ein anderer Briefschreiber des Neuen Testaments auf. Wenn uns dies gelingt, wird der November schon ein wenig heller. Und ich habe seiner Düsternis etwas entgegenzusetzen: Nämlich Licht! Das Licht, das durch mich hindurch- und aus mir heraus scheint. Und durch das Licht der Menschen um mich herum.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7138
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