Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Möchten Sie mal alt werden?“ – diese Frage wurde mir vor kurzem von Jugendlichen gestellt. Ich wollte spontan antworten „Ja – natürlich!“, aber irgendetwas hielt mich zurück. Es schossen mir Bilder durch den Kopf: von meinem letzten Besuchen im Altenheim, von alten Menschen, die ich kenne. Deshalb habe ich gesagt: „Ja – ich möchte gern alt werden; ich hoffe, ich kann dann mein Leben noch selbst gestalten, habe das, was ich zum Leben brauche und gute Menschen um mich herum.“
Wer wünscht sich das nicht: Sein Leben selbst gestalten können, Zeit haben für das, was Freude macht – endlich, vielleicht nach Jahren voller Hektik und Betriebsamkeit?
Und wie wird es dann sein? Niemand von uns kann wissen, wie, wo und wann wir alt werden. Aber es beginnt früher, als wir wahrhaben wollen. Das zumindest hat mit eines meiner Kinder beigebracht. Vor drei Jahren feierte ich 50sten. Runder Geburtstag. Und ich bekam dann zu hören: „Papa, du wirst doch jetzt fünfzig, dann bist Du bestimmt auch bald hundert!“ Keine Angst, so schnell geht’s dann doch nicht. Aber die Frage bleibt: Was wird einmal sein, wenn ich alt bin?
Auf jeden Fall wünsche ich mir auch dann die Erfahrung: Es ist gut so, wie es ist. Vieles ist gelungen, manches lief nicht wie geplant, aber jetzt ist es gut so. Ich nehme es an, genau so, auch wenn es nicht leicht sein mag. Früher konnte ich vielleicht vieles selbst in die Hand nehmen, planen und durchführen, heute tun das andere für mich. Früher hatte ich weniger Zeit für mich persönlich, heute habe ich mehr Zeit, als mir manchmal lieb ist. So werde ich vielleicht denken.
Heute wünsche ich mir für morgen oder übermorgen, dass ich nicht nur das wahrnehme, was nicht mehr geht. Ich hoffe, dass ich nicht nur sage: Wie schön war es doch früher. Nein, ich möchte auch dann etwas gestalten können. Sicher wird alles etwas langsamer laufen, manches wird schwerer fallen, aber: ich wünsche mir, das ich dankbar sein kann für das, was gewesen ist und dass ich das annehmen kann, was sein wird. Früher oder
später, vielleicht erst in fünfzig, womöglich bereits in zehn Jahren oder schon morgen sind wir selbst betroffen!
Also: „Ja, ich möchte mal alt werden – und leben und Leben gestalten!“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7130
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