SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Freiheit! (2. Kor 3,17)

Früher stand in meinem Pass: „geboren in Köthen – DDR“. Noch als kleines Kind bin ich - wie es so schön heißt - „rübergemacht worden“ - Und doch bin ich wie in einer Doppelwelt aufgewachsen. Der Vergleich war Dauerthema: Was gibt es hier ? Wie ist es „drüben“! Und das „Drüben“ fühlte sich nicht gut an. Vieles war mit Angst besetzt:
Oma und Opa waren in den Tagen nach dem Mauerbau in Hannover zu Besuch: „Bleiben sie? Oder gehen sie zurück in die DDR? Sie gehen zurück. - ? Aber werden wir sie jemals wieder sehen?“ Und dann gab es ein Wiedersehen – und wieder mit Angst besetzt: Grenzübergang Marienborn – raus aus dem Zug. Ich sehe noch heute, wie da meine Mutter von Grenzern weggeführt wurde. „Was machen die mit ihr? Kommt sie wieder? Ich stehe da – mit sieben Jahren - mutterseelenallein - und warte...“
Schön die Besuche bei Verwandten und Freunden – warmherzige Menschen, Junge wie Alte. Aber für mein Empfinden lag immer wieder Angst wie Mehltau über dem Leben. Besonders: Angst haben müssen vor den eigenen Gedanken. Ewig und drei Tage überlegen: Was darf ich wann sagen und was nicht? Z.B. als Westbesucher beim Bier auf der FDJ-Fete: Wer spricht mit mir und meinem Cousin über die Möglichkeit über Finnland in den Westen zu kommen? Und warum? Ein Stasi-Spitzel? Oder ein Gleichaltriger, der auch solche Träume hat?
Nicht Jakobs-Krönung, nicht die angeblich so heiß begehrten Südfrüchte fehlten mir „drüben“. Aber unbeschwert denken und sagen können, was mich bewegt.
Die Freiheit der Denkenden – die die Freiheit der Andersdenkenden einschließt – diese Freiheit - vor 60 Jahren im Grundgesetz verbrieft – sie ist nun seit 20 Jahren in ganz Deutschland und für alle erlebbar.
Schön, dass es auch so viele mutige Christen waren, die dieses elementare Menschenrecht erstritten haben - inspiriert von der Erfahrung des Paulus: „Wo der Geist des Herrn ist – da ist Freiheit!“ (2. Kor 3,17)
Der Wunsch nach freier Entfaltung der Persönlichkeit ist in der Bundesrepublik unantastbares Recht. Ich genieße das. Und ich erinnere mich immer wieder daran - bei allen sozialen Ungerechtigkeiten, die es gewiss zu kritisieren gibt: In Unfreiheit ist jede Gesellschaft eine trostlose und bitterarme Veranstaltung. Eine freie Gesellschaft lebt – ein überwachtes und verstaatlichtes Denken führt zur Erstarrung. Darum gehört auch die Religionsfreiheit zum Fundament einer freien Gesellschaft. Und wo der Geist der Freiheit Menschen aus allen Religionen bewegt, da wird Religion zu einem Grundpfeiler von Freiheit. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7120
weiterlesen...