Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Wer nicht an Wunder glaubt, der ist kein Realist!“
Das hat Ben Gurion, der Staatsgründer Israels einmal gesagt.
„Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist!“
Das bedeutet:
Wunder sind absolut realistisch.
Mit ihnen muss man ernsthaft rechnen.
Und genau das beweist unsere jüngste deutsche Geschichte eindrucksvoll:
Denn:
So ein unglaubliches realistisches Wunder jährt sich heute. Vor 20 Jahren, genau am 9. November 1989 ist die Mauer gefallen. Und das war das Beste, was uns Deutschen je eingefallen ist!
Kein Mensch hatte sich das wirklich realistisch vorstellen können. Und kein Mensch hätte sich träumen lassen, das es wirklich passiert - und zwar genau so passiert.
Nämlich ganz ohne Gewalt.
Ganz ohne Panik, ohne den allzu menschlichen Kurzschluss mit all seinen brutalen Seiten.
Nicht ein Schuss ist gefallen, als die Mauer gefallen ist.
Die friedliche Revolution –sie hat tatsächlich funktioniert.
Und zwar gewaltfrei und mit ganz vielen Gebeten.
„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen!“ sagt die Bibel.
Unter diesem Motto habe ich vor 2o Jahren in meiner Kirchengemeinde einen Dankgottesdienst gefeiert. Vorher war ich nach Berlin gefahren und hatte dort wie im Traum zugesehen, wie sich die Leute ganze Stücke aus der Mauer meißelten.
Die Mauerspechte.
Ich besorgte mir damals ein ziemlich großes Stück. Nie werde vergessen, wie das war, als während dieses Dankgottesdienstes dieser große Mauerbrocken durch die Bänke gereicht wurde, von Hand zu Hand.
Wie wir im Gottesdienst das Souvenir der Freiheit betastet, betrachtet, gewichtet haben, wie wir das Unbegreifliche langsam begriffen.
Scharfkantig war das Ding, vorne bunt besprüht. Schwer natürlich.
Es machte uns alle ganz still und nachdenklich. Ein Stück der Mauer in unseren Händen, ein sichtbares Zeichen dafür, dass etwas überwunden worden war, etwas das sich 28 Jahre auf 168 Km Länge als so felsenfest und unverrückbar präsentiert hatte.
Der Stein des Abbruches war ins Rollen gebracht. Jetzt gab es kein Halten mehr.
Der Durchbruch war geschafft. Ganz real! Ganz Wunderbar!
Und heute?
Noch immer liegen uns so viele Steine im Weg, wenn wir zueinander kommen wollen.
Noch immer gibt es so viele unsichtbare Grenzen zwischen Menschen, so viele Barrieren unter uns.
Nicht nur zwischen Ost und West, sondern lokal, global, überall.
Der Mauerfall von vor 20 Jahren macht mir heute noch Mut.
Er hilft mir, daran zu glauben:
Mit Gottes Hilfe können wir getrost weiterhin phantastische Realisten sein.
„Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist!“
„Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“
Bis die Steinzeit endgültig vorbei ist.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7112
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