Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Einen schönen Sonntagmorgen!
Haben Sies schon gehört?
Es muss bald niemand mehr sitzen bleiben!
Sitzenbleiben wird abgeschafft. Hoffentlich. Denn: Sitzenbleiben ist eine schlimme Sache.
Es bedeutet: Zurückgeworfen werden, auf das Versagen festgelegt, mit dem Vorwurf, nichts dazugelernt zu haben, nicht genug jedenfalls.
Das ist bitter. Wer das jemals erlebt hat, vergisst es nie.
Muss es sozusagen ein Leben lang auf sich sitzen lassen.
Aber jetzt ist vielleicht endlich Rettung in Sicht.
Weil: die Kultusminister der Länder sich zusammengesetzt haben, um über das Sitzenbleiben zu beraten.
Das ist schon ein paar Wochen her. Aber immerhin: sie haben wohl erkannt, dass es Zeit wird, es abzuschaffen.
In Japan, Finnland, England gibt es das schon lange nicht mehr –
Und da können bekanntlich die Menschen auch ganz gut rechnen und schreiben, sind lebenstüchtig und kommen voran.
Also macht man auch bei uns zaghafte Versuche.
In Nordrhein-Westfalen, Bayern und in Berlin hat man schon ein bisschen geprobt.
Und siehe da: es kann funktionieren.
Man erkennt immer mehr, dass man nicht im Gleichschritt lernen kann, dass es darauf ankommt, dass jedes Kind die Zeit bekommt, die es braucht, um dann den nächsten Schritt zu gehen.
Lernen sollen alle schon möglichst viel, aber möglichst so, dass sie es in der für sie passenden Geschwindigkeit schaffen.
Man wird sehen, wie sich das entwickelt und ob es sich durchsetzt gegen das Sitzenbleiben aufzustehen.
Das können die Kultusminister alleine aber nicht schaffen.
Da sind wir alle gefragt. Und das hat nicht nur was mit der Schule zu tun.
Da geht es vor allem auch darum, wie wir miteinander umgehen, wie sehr wir uns und andere auf das festlegen, was gestern war.
Ob das Versagen und das Scheitern in der Vergangenheit uns so magisch anzieht, dass wir nicht davon loskommen.
Und dass uns Andere womöglich immer wieder auf das festlegen wollen, was mangelhaft war in der Vergangenheit.
Heute sollen wir auch nicht sitzen bleiben.
Schon gar nicht auf der alten Geschichte von Schuld und Versagen, von Menschenverachtung und unsagbarem Leid.
Wir sollen in die Lage versetzt werden, Neues zu lernen.
Wie wir Lehren ziehen und Grenzen überwinden.
Wie wir einander den Frieden erklären, wie das geht, dass wir miteinander trotz aller unterschiedlichen Begabungen innerhalb und außerhalb unserer Klassen verträglich und menschenfreundlich sein können.
Nicht auszudenken, was aus uns werden könnte, wenn wir damit anfangen würden, in die Gesamtlebensschule zu gehen, um unsere Begabung zum Glauben, Lieben und Hoffen zu entdecken.
Wohl wissend, dass wir am Ende alle vor dem großen Lehrer im Himmel stehen werden, und von ihm gefragt werden, ob wir unsere Hausaufgaben gemacht haben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=7111
weiterlesen...