SWR4 Abendgedanken RP

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Mustafa Yilmaz stammt aus der Türkei und lebt in Deutschland. Er ist Christ und arbeitet als Küster an der evangelischen Laurentiuskirche in Wörrstadt. Daraus ergeben sich viele interessante Begegnungen in der Kirche.
Türkische Namen verbindet man oft mit dem islamischen Glauben. In Wörrstadt gibt es einen Küster, der stammt aus der Türkei und ist Christ: Mustafa Yilmaz. Seit einigen Jah-ren ist der 33jährige nun schon Küster der evangelischen Laurentiuskirche in Wörrstadt mitten in Rheinhessen. Ortspfarrer Stefan Koch ist stolz, ihn als Küster zu haben:

Stephan Koch
Unser Küster ist Mustafa Yilmaz und er ist hauptamtlich hier tätig. Zu seinen Aufgaben gehört es natürlich, die Kirche herzurichten für die Gottesdienste, aber auch für die vielen Konzerte, die wir hier haben und in unserer Kirche ist es sehr schön: Sie ist keine kleine Kirche, sie ist eher größer, aber sie ist nicht so ein langer Bau, so dass die Men-schen weit verschwinden, wir können sehr schön, - auch wir haben einzelne Stühle, kei-ne Bänke, - das jeweils für den einzelnen Gottesdienst, für das Konzert individuell gestal-ten, das tun wir miteinander und entwerfen auch miteinander die Vorstellung, wie die Menschen sitzen, wie sie die Kirche erleben sollen.

Sie ist groß und doch gemütlich, die alte Laurentiuskirche. Seit fast 1000 Jahren steht sie in Wörrstadt, Generationen von evangelischen Christen sind in ihr getauft, konfirmiert und getraut worden, zahlreiche Konzerte finden das Jahr über dort statt. Das fordert viel logistisches Geschick, da muss viel vorbereitet werden. Mustafa Yilmaz ist ständig gefor-dert und hat viel zu tun, wie Pfarrer Stephan Koch weiß.

Stephan Koch
Er reinigt die Kirche natürlich auch, er läutet die Glocken, er bereitet das Abendmahl, die Taufen vor, er schmückt die Kirche, außerdem haben wir noch ein großes Gemeinde-haus mit vielen Veranstaltungen, da ist er auch tätig, ... kehrt die Strasse, reinigt das Gebäude, schließt auf und zu, sorgt auch für die Heizungsanlage.

Überall ist er im Einsatz, ein Allrounder sozusagen, er muss theologisch Bescheid wissen, er muss ein guter Handwerker sein, die Elektronik der Heizung verstehen und ein guter Akustiker für die Mikrofone in der Kirche sein. Drei Pfarrer gibt es, die in dieser Kirche Gottesdienst halten und der Kirchenvorstand ist auch an den Wochenenden in der Kirche beschäftigt. Und der Küster ist so etwas wie der gute Geist für alle. Weshalb Pfarrer Ste-fan Koch stolz auf ihn ist.

Stephan Koch
Ich schätze seine aufrichtige Art sehr, seinen Fleiß und seine Zuverlässigkeit.

So wie er denken sie alle, die in dieser Kirche arbeiten.

Teil II

Mustafa Yilmaz
An meinem Beruf lieb ich besonders ein Teil auch die Gemeinde mit begleiten zu dürfen ganz kurzes Beispiel und zwar ein kleines Kind, das immer „Du“, Mustafa gesagt hat, kommt auf einmal und sagt plötzlich: „Sie“, weil es halt größer geworden ist und denkt, es müsste jetzt „Sie“ sagen zum Beispiel, oder ein junger Mann, der vor paar Jahren noch gemeint hat, er wird nie ‚ne Frau finden und so, und Gott will wahrscheinlich nicht, dass er ‚ne Frau findet, hat dann hier doch in der Kirche irgendwann geheiratet und ich durfte dazu die Glocken anmachen. Also das ist ganz schön also die Menschen so zu erleben, die Veränderung der Menschen, weil Treffpunkt Kirche: halt: Immer wieder zurückkommen.

So beobachtet er die Menschen, begleitet sie bei den verschiedensten Anlässen in der Kirche und hat ein offenes Ohr für manche Anfrage aus der Gemeinde. Sie merken schon, er stellt nicht nur Mikrofone auf, läutet die Glocken und repariert die Heizung, er hilft auch mit im Jugendclub, richtet die Räume mit ein und motiviert die Jugendlichen, in ihrer Kirche mitzumachen.
Er beruhigt die aufgeregten Brautpaare und gibt Hinweise zum Verhalten für Taufeltern, Konfirmanden und Trauernde. Von der nahen Gesamtschule werden Schulabschlussgot-tesdienste angeboten, auch hier steht er Lehrern und Pfarrern mit Rat und Tat zur Seite
Über all den vielen persönlichen Ratschlägen und praktischen Handreichungen aber weiß er, dass der Geist, der in einer Gemeinde herrscht, das Wichtigste ist. Mustafa Yilmaz ist ein frommer Mann, der seine Aufgabe vor allem aus seinem christlichen Glauben heraus versteht.

Mustafa Yilmaz
Ja, der Umgang mit den Menschen, und einfach auch das Teil so zu leben, wie es vielleicht Jesus auch erwartet.

Beides ist wichtig, mit den Menschen liebevoll umzugehen, die in die Kirche kommen und auch den Küsterdienst als christliche Lebensaufgabe zu begreifen, nämlich so zu leben, wie es Jesus gemeint hat: liebevoll und zugewandt zu sein mit den Menschen, die einem begegnen. Das macht Mustafa Yilmaz, wenn er als Küster unterwegs ist.
So wie am vergangenen Sonntag, als in seiner Gemeinde die neuen Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher in ihr Amt eingeführt wurden. und das war in Wörrstadt ein großes Ereignis. Bei der Einsegnung war Mustafa Yilmaz besonders aufmerksam.

Mustafa Yilmaz
Ja, man kann so ein bisschen was spüren, dass einige aufgeregt sind, so die Einsegnung so, das ist spürbar

Seine Kirche- das ist für ihn ein Ort, an dem immer etwas Besonderes stattfindet. Und sie ist ein Ort der Ruhe, an dem man alles, was einen bedrückt, hinter sich lassen kann.

Mustafa Yilmaz
Ja, die Kirche, ja ist ein Ort, wenn man reinkommt, wo man sich einfach fallen lassen kann, also ich mag diesen Raum sehr, er gibt mir Frieden.

Teil III

Mustafa Yilmaz- der Mensch, der so einen Namen trägt, den vermutet man eher in einer Moschee. Aber mitnichten. Mustafa Yilmaz ist Küster der Laurentiuskirche in Wörrstadt. Weil er sich einfach mal um eine freie Küsterstelle beworben hat.

Mustafa Yilmaz
..damals in der Zeit, wo ich einen Job gesucht habe oder ‚ne Arbeit gesucht habe, war ich arbeitslos gewesen, hab mich ganz normal daraufhin beworben und mir da eigentlich weniger Gedanken darum Gedanken gemacht, was ich da machen müsste oder muss, und dazu kam ich zu diesem Job.

Naja, ganz so einfach war das nicht. Mustafa Yilmaz ist evangelischer Christ, der seinen Glauben nicht verschweigt. Außerdem ist er umfassend handwerklich gebildet. Trotzdem musste er sich in viele Aufgaben erst einarbeiten. Das hat ihm der Kirchenvorstand zu-getraut und wurde nicht enttäuscht. Mustafa Yilmaz liebt seinen Beruf, auch weil er so abwechslungsreich ist.

Mustafa Yilmaz
Es ist sehr vielfältig, von A – Z, von Kaffee kochen bis Rasen mähen, alles mögliche muss man, teilweise vielleicht sogar auch ein bisschen, auch Seelsorge, man wird doch ab und zu mal auch gefragt, also wird wahrgenommen, also ist alles wirklich querbeet dabei.

Für ihn ein Traumjob, den er noch möglichst lange ausüben möchte.

Mustafa Yilmaz:
Der Job wird nie langweilig und ich kann mir vorstellen, den Job so lange wie möglich zu machen, so Gott will.

Einmal gab es eine Situation, in der er als Küster besonders gefordert war. Noch gar nicht so lange ist es her, da haben sich Neonazis in Wörrstadt zu einer Demonstration angekündigt. Das hat unter der Bevölkerung viel Aufregung verursacht. Polizei und hunderte von Menschen waren vor Ort, die Situation war spannungsgeladen, denn es standen sich zahlreiche Menschen als Demonstranten und Gegendemonstranten gegenüber. Pfarrer Stephan Koch erinnert sich noch gut daran:

Stephan Koch
Vor etwa einem Jahr war hier eine Demonstration von Neonazis und es gab eine Ge-genkundgebung hier zwischen den beiden Kirchen, die evangelische und die katholische Kirche stehen in Wörrstadt nebeneinander und wir haben, der katholische Kollege und ich bei dieser Gegenkundgebung gegen die Neonazis auch gesprochen und auch ein Gebet und dann kam das „Vater unser“ und da fiel mir ein, dass ja jetzt ein Türke die Glocke dazu anmacht und das hab ich ganz spontan gesagt: Ich freue mich sehr, das jetzt unsre Glocke zum „Vater unser“ von einem Türken eingeschaltet wird und dann gab es einen Riesenapplaus und eine große Begeisterung und für Mustafa etliche Interviews, ich glaub auch beim Fernsehen.

So stand er plötzlich im Mittelpunkt, der Küster Mustafa Yilmaz. Weil er die Glocke zum öffentlichen Gebet des „Vater unsers“ geläutet hat, wurde er so etwas wie ein Symbol der Versöhnung und der Verständigung zwischen den Kulturen, und so ein Symbol gegen nationalsozialistisches und ausländerfeindliches Denken.
Eigentlich liegt ihm das gar nicht, so in der Öffentlichkeit zu stehen, er ist zufrieden, wenn er seine Arbeit tun und so den Menschen in der Gemeinde helfen kann.
Es macht ihn zufrieden, sagt er.

Mustafa Yilmaz
...…, wenn die Leute sonntags aus der Kirche gehen glücklich teilweise, also gehen sie glücklich ‚raus und nehmen was mit, das gibt mir dann auch Selbstbestätigung und Freude, wenn ich das miterleben kann ganz ehrlich gesagt. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7085
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