SWR2 Wort zum Tag

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"Ultima ratio"

Im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zu 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland erinnere ich mich an die Grafik in einer Zeitung. Eine Statistik zeigt auf, wie viele Kirchen in den letzten 60 Jahren geschlossen worden sind und es werden jedes Jahr mehr. Vor allem der Nord-westen Deutschlands ist davon betroffen. Der Süden zieht langsam nach.

Es gibt bereits Kirchenimmobilienmakler, die sich ständig etwas Neues einfallen lassen, um aus Kirchenräumen extravagante Szenelokale, Museen, Friseurläden und anders entstehen zu lassen. Und die Menschen kommen wieder in die Kirchen, nur ist die Kirche nicht mehr das, was sie mal war.

„Wenn wir Kirchen schließen, dann nur als ultima ratio“, so hat es Bischof Gebhard Fürst von der Diözese Rottenburg-Stuttgart in einem Interview gesagt. Ein wegweisendes Wort. Kirchen werden nur als allerletzte Möglichkeit geschlossen, ansonsten bleiben sie bestehen. Kirchen sind Zeichen der Präsenz Gottes in unserem Leben, in unseren Kirchengemeinden. Kirchen sind geweihte Räume, die man nicht einfach zusperren, umwidmen, mit anderen Inhalten befüllen kann.

Ein Mann kommt zu einem Priester und fragt ganz aufgeregt: „Warum wird denn unsere Kirche geschlossen?“ Der Priester antwortet ratlos: „Aber Sie haben unsere Gottesdienste noch nie besucht“. Daraufhin der Mann: „Aber ich bin jeden Tag an der Kirche vorbeigefahren.“

Das ist es. Auch wenn immer weniger Menschen in die Kirchen gehen, wissen Sie doch, wo Gott auch zu finden ist. Denn Kirchen sind der Ort, wo Gott zu Hause ist.
Es bleibt die Frage: Warum sind wir dort nicht mehr zu Hause?
Wenn unsere Kirchen aus dem Ortsbild verschwinden, dann gibt es auch keinen Ort mehr, wo wir gemeinsam Gottesdienst feiern und Taufe, Firmung oder Hochzeit, wo wir trauern können. Dann glaube ich, wird uns mehr fehlen, als einfach nur ein Haus aus Stein.

Vielleicht sollten uns die profanen Umwidmungen, die Orte die daraus entstehen, zum Nachdenken anregen, was wir in unseren Kirchen vermissen.

Vielleicht wünschen wir uns dann wieder eine Kirche, um zu beten und Danke sagen, um zu singen und zu tanzen. Kirchen als Orte, wo man sich an der Kirchenmauer anlehnt und sich in die Sonne streckt, Gott entgegen. Oder sich wärmt, tagsüber, sich aussprechen kann, jederzeit. Vielleicht müssen wir da visionärer werden.
Kirchen entstehen dort, wo der Wunsch besteht, Kirche selber zu sein. Kirchen werden dort geschlossen, wo der Wunsch danach nicht mehr existiert. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7084
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